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Le Jardin des délices / Der Garten der Lüste, Philippe Quesne, Vivarium Studio
© Vivarium Studio

Kontrollverlust und Lüste

31. Juli 2023

Zwei „hemmungslose“ Schauspiele bei der Ruhrtriennale – Prolog 08/23

Es war einmal, vor knapp einem Vierteljahrhundert, da ging die bauliche Innovation im Ruhrgebiet zu Ende, fast jede Gemeinde hatte ihr IBA-Emscher-Park Projekt, große und kleine Industriebauten waren restauriert. „Weltkultur in jede alte Kaue“ schien jetzt das Motto, die Ruhrtriennale ward geboren, sie wurde ein verhuschter Sommernachtstraum, der leider kein Erwachen zulässt. In diesem Jahr findet Shakespeares „Drogenstück“ in einer der Eventlocations im Landschaftspark Duisburg-Nord sein Zuhause. Die ehemalige Kraftzentrale bespielt Barbara Frey, die inszenierende Intendantin der Ruhrtriennale 2021-2023, die die mehr 400 Jahre alte Schein-Komödie als „Stück der Stunde“ bezeichnet. Im Athener Wald geht es offensichtlich nicht nur um Magie, sondern auch um den Erhalt patriarchaler und monarchischer Herrschaftssysteme durch Kontrollverlust und diverse Lüste.

Auch im zweiten Theaterabend geht es um eine Form von Kontrollverlust und seine Ursachen, dazu geht es auch um die Menschheit und ihr Verhältnis zu sich selbst und zur Natur. Zum ersten Mal wird der gefeierte französische Festival-Star Philippe Quesne als Regisseur bei der Ruhrtriennale zu sehen sein – mit einem neuen Projekt, das zugleich die großangelegte Retrospektive seiner bisherigen Theaterarbeit mit dem Vivarium Studio darstellt, das 2023 auch sein 20-jähriges Bestehen feiert. In seinem aktuellen performativen Projekt geht es um das berühmte Triptychon „Der Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch, ein Bild, das auch den Übergang vom Mittelalter zur Renaissance markiert. Dabei schöpft er aus seinen bisherigen Schaffen und verwebt die einzelnen Arbeiten zu einem theatralischen Panoramabild, indem die wichtigen Fragen unserer Zeit verhandelt werden. Boschs Laboratorium der lustvollen Beschäftigung mit dem einen oder anderen Geschlecht endet in der rechten Tafel ziemlich düster. Woher kommt dieser scheinbare Hang zur kollektiven Selbstvernichtung, der nach dem „Garten der Lüste“ schon fünf Jahrhunderte anhält und langsam hochdramatisch zu werden scheint? Für mögliche Antworten und Konzepte, aber auch hochpoetisch und spielerisch lässt Quesne wissenschaftliche und ästhetische Fragestellungen ineinandergreifen, wie immer an der Schnittstelle von Kunst, Philosophie, Politik, Ökologie und kindlichem Spiel.

Ein Sommernachtstraum | Do 10.8. 20 Uhr (P) | Der Garten der Lüste | Do 7.9. 20 Uhr (P) | Kraftzentrale, Landschaftspark Duisburg-Nord | 0221 28 02 10

Peter Ortmann

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