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Singt sich seine Emscher-Seele aus dem Leib: Klavecks, gespielt von Markus Kiefer.
Fotos: Dominik Lenze

Auferstanden aus Emscher-Schrott

24. Januar 2016

„Klavecks – Der letzte Emscherläufer“ war am 21.1. im BHF Langendreer zu sehen

„So, jetzt kommt wat anderes – aber wat?“ Die Frage stellt sich nicht nur Klavecks, „der letzte Emscherläufer“ aus Sigi Domkes Stück, sondern seit Jahren das gesamte Revier: Strukturwandel, Imagewechsel, Kulturwirtschaft – Klavecks kann damit nichts anfangen, genau so wenig wie mit den jungen Hüpfern, die Fischstäbchen in seine heiß geliebte Emscher kippen; für das Kunstprojekt: „Toter Fisch in totem Wasser.“ Nachdem die musikalische Inszenierung von Markus Kiefer & Co. Ende letzten Jahres in der Gelsenkirchener Kaue Premiere feierte, war sie nun auch im Bochumer Bahnhof Langendreer zu sehen.

 

Und natürlich auch: zu Hören. Denn Klavecks (Markus Kiefer) begnügt sich nicht mit seinem Job als Ordnungshüter des dreckigen Rinnsaals und Imbiss-Besuchen bei seiner heißt geliebten Currywurst-Lady Conny – er macht Rock'n'Roll, gemeinsam mit den „Emscherrangern“. Und zwar auf Instrumenten, die er in und an der Emscher gefunden hat. Tatsächlich spielen Kiefer und seine Kollegen auf Bürsten, aus Klobrillen gebastelten Gitarren und sogar Platschgeräusche aus einem Eimer Wasser kommen zum Einsatz – die Emscher ist Teil der Band.

Für ihn ist die Emscher ein Blues-Fluss: Mozart

Und auch seine schrulligen Bandkollegen hat Klavecks, so erzählt er seinem Publikum, am Flussufer aufgelesen wie Treibgut: Zum Beispiel Mozart (Rüdiger Klappenbach), der sich vom dreckigen Fluss inspirieren lässt: „Dat is'n richtiger Blues-Fluss.“ Oder Andreas (Günter Menger), kurz Mucke: „Ich mach' Musik für're Gegend“, sagt er. „Mausetote Musik.“

„Ja und wenn hier alles anders wird“, fragt Klavecks ängstlich. „Dann wird die Musik eben auch anders,“ entgegnet Mucke trocken.

 

Während seine Band-Kollegen den Wandel locker nehmen, hat Klavecks Angst: Schließlich kennt er hier jeden Grashalm, jeden Meter und liebt es morgens allein zu sein am Fluss. Dann genießt er sogar das Rauschen der A42. „Auch wenn es nicht schön ist: aber es gibt mir ein Gefühl von Sicherheit“, sagt er. Auch, wenn er sich in diesem einsamen Morgenstunden manchmal vorstellt, die Emscher sei der Mississippi - „garnicht so einfach in Oberhausen.“

 

Ein Stück über einen hadernden Hinterwäldler, der nicht so recht aus dem Quark kommt – wer hätte gedacht, dass dieser Stoff so viel Spaß machen kann? Doch der leichte aber treffsichere Wortwitz der Domke-Vorlage, der Einfallsreichtum bei der Interpretation der Rock'n'Roll-Klassiker auf Emscher-Schrott und Kiefers liebevolle Darstellung der Hauptfigur – alles sitzt. Überhaupt, Klavecks: Man möchte ihn doch knuddeln, wie er da mit großen Augen aus seiner bollerigen Arbeitskleidung guckt und über dieses dreckige Etwas schwärmt, von dem er seelbst sagt, es sei kein Fluss, ja eigentlich nicht einmal Wasser.

Klar, ein guter Schuss Klamauk ist auch drin – doch das Stück hat, anders als die Emscher, auch Tiefe: Fünf Musiker die Schönes zaubern aus Schrott und Weggeworfenem – was für ein schönes Symbol für den State of Mind im Revier. Die typische Mundart tut ihr übriges in punkto Charme.

Kontaktaufnahme via Emscherschrott: Klavecks funkt mithilfe eines an der Emscher gefundenen Geräts.

 

Kurzum: eine witzige, unaufdringliche und gerade deshalb so charmante Liebeserklärung ans Revier – die Probleme thematisiert, aber auch Mut macht. Genau so wie Gitarrist „Lulatsch“ (Peter Aleweld) dem hadernden Klavecks: „Ich geh hier sowieos nicht weg. Und wenn's noch schöner wird, erst recht nicht.“

Dominik Lenze

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