Es mag utopisch klingen, was Gabriele Winker vorschlägt: maximal 30 Stunden in der Woche arbeiten – bei vollem Lohnausgleich! Zudem sollen alle das gleiche Einkommen erhalten. Winker spricht von einer revolutionären Realpolitik, die Klima und Sorgearbeit ansetzt: realpolitisch, weil diese Forderungen auf konkrete Maßnahmen zielen, revolutionär, weil sie die Bedürfnisorientierung von Mensch und Natur anstelle von Profitmaximierung setzen.
Die emeritierte Professorin für Arbeitswissenschaft und Gender Studies an der TU Hamburg knüpft für dieses Ziel an zwei Themen an, die im Titel ihres aktuellen Buchs anklingen: „Solidarische Care-Ökonomie. Revolutionäre Realpolitik für Care und Klima“. Ihre Thesen präsentierte sie in einer Online-Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Kooperation mit dem Bochumer Bahnhof Langendreer
Care- und Klima-Bewegung
„Der Begriff der Sorge ist auch eine Haltung und geht von Beziehungen aus“, erklärt Winker. „Das Artensterben hat natürlich Auswirkungen auf unser Leben.“ Damit gelte eine Sorge für die Natur genauso wie für unsere Mitmenschen in den Care-Berufen. Damit ergäben sich Anknüpfungspunkte für Allianzen in einer heterogenen Linken – von gewerkschaftlichen Anliegen bis zu Fridays for Future: „Wir könnten viel voneinander lernen. Denn manches hat die Care-, manches die Klima-Bewegung besser im Blick.“
Bürgerräte und Volksbegehren
Beide Anliegen verbinde ein Ausgangspunkt, so Winker: die Krisen einer sozialen und ökologischen Reproduktion. Die Ausbeutung von Menschen und Natur sei Grundlage des Wirtschaftswachstums, aber: „Genauso wie die Arbeitsüberlastung schlagen am Ende auch die hohen CO2-Werte auf die Kapitalverwertung zurück.“ Klimapolitik sei daher „halbherzig“, wenn sie in einem Wachstumsdispositiv verbleibe.
Um das Ziel einer solidarischen Gesellschaft zu erreichen, gelte es, „profitorientiertes Wirtschaften einzuschränken und schließlich zu überwinden“, so Winker. Zu der von ihr vorgeschlagenen Transformationstrategie zähle nicht nur eine Bedürfnisorientierung, sondern auch eine Mitsprache aller Beteiligten, etwa durch Abstimmungen und Volksbegehren, durch Care- und Energieräte. „Das geht nur, wenn diese Debatten in anderen Strukturen stattfinden, damit Beschäftigte mitreden können“, sagt Winker. Davon profitieren am Ende alle, wie sie hofft: „Sobald Zeit für soziale Beziehungen ist, gewinnen alle an Lebensqualität.“
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Facetten des Antisemitismus
Vortrag und Diskussion im Bahnhof Langendreer Bochum – Spezial 12/25
Bis das Regime gestürzt ist
Mina Richman im Bochumer Bahnhof Langendreer – Musik 09/25
Hartmut und Franz
Oliver Uschmann und sein Roman über das Verschwinden von Kafka – Literaturporträt 06/25
Die Ruhe im Chaos
Emma Ruth Rundle in Bochum und Köln – Musik 07/24
Unterschiedliche Erzählungen
Vortrag zur Geschichte des Nahostkonflikts in Bochum – Spezial 03/24
Geschichte der Ausbeutung
„Wie Europa Afrika unterentwickelte“ im Bochumer Bahnhof Langendreer – Spezial 02/24
Musik mit Sogwirkung
Derya Yıldırım und Grup Şimşek in Bochum – Musik 12/23
Dokumentation rechten Terrors
„Der Halle-Prozess“ in Bochum – Spezial 03/23
Knotenpunkt der Kultur
Bahnhof Langendreer feiert 36-jähriges Jubiläum – Prolog 07/22
Belletristik für Bestandskunden
Heinz Strunk in Bochum – Literatur 04/22
Berufung auf Umwegen
Nikita Miller zu Gast in Langendreer
Bühne frei
Poetry und Open Mic Bühne mit Ajayini Sathyan
Jenseits des Schönheitsdiktats
„Verehrung“ von Alice Urciuolo – Textwelten 12/25
Nicht die Mehrheit entscheidet
„Acht Jahreszeiten“ von Kathrine Nedrejord – Literatur 12/25
Power Kid
"Aggie und der Geist" von Matthew Forsythe – Vorlesung 11/25
Allendes Ausflug ins Kinderbuch
„Perla und der Pirat“ von Isabel Allende – Vorlesung 11/25
Die Liebe und ihre Widersprüche
„Tagebuch einer Trennung“ von Lina Scheynius – Textwelten 11/25
Inmitten des Schweigens
„Aga“ von Agnieszka Lessmann – Literatur 11/25
Mut zum Nein
„Nein ist ein wichtiges Wort“ von Bharti Singh – Vorlesung 10/25
Kindheitserinnerungen
„Geheimnis“ von Monika Helfer und Linus Baumschlager – Vorlesung 10/25
Im Spiegel des Anderen
„Der Junge im Taxi“ von Sylvain Prudhomme – Textwelten 10/25
Die Front zwischen Frauenschenkeln
„Der Sohn und das Schneeflöckchen“ von Vernesa Berbo – Literatur 10/25
Von Ära zu Ära
Biographie einer Metal-Legende: „Sodom – Auf Kohle geboren“ – Literatur 10/25
Kutten, Kohle und Karlsquell
Lesung „Sodom – Auf Kohle geboren“ in Bochum – Literatur 10/25
Alpinismus im Bilderbuch
„Auf in die Berge!“ von Katja Seifert – Vorlesung 09/25