„Ich liebe Alben wie Sibylle Baiers ,Colour Green‘ oder Nick Drakes ,Pink Moon‘.“ Dieser Satz von Emma Ruth Rundle aus einem Interview für Gaesteliste.de ist so klar und direkt wie ihre aktuelle Musik. Gleichzeitig markieren die genannten Referenzgrößen auch den neuen Klang ihrer Musik: reduziert auf Stimme und ein Instrument, unmittelbar im Ausdruck. Beim Wiederhören ihrer 2022er-LP „Engine of Hell“ fällt zudem eine Verwandtschaft zu Adrianne Lenkers (Sängerin der Band Big Thief) Soloalben, vor allem dem neuen „Bright Future“ auf. Wie Lenker ist Rundle von Haus aus (Rock-) Gitarristin, hat sich aber für ihr letztes Album dem Klavier zugewandt bzw. wieder zugewandt, wie sie in besagtem Interview noch erklärt. Es sei das Instrument ihres Vaters und ihrer Kindheit gewesen, sie könne daran spontaner, weniger analytisch spielen und experimentieren.
Im August kommt sie für einige ausgewählte Konzerte nach Deutschland, es dürften intime, eindringliche Solo-Abende mit Rundle an Klavier und Gitarre werden. Seit 2014 veröffentlicht sie, nach führender Mitarbeit in diversen Bandprojekten, Alben unter ihrem eigenen Namen. Die 2016er und 2018er-LPs „Marked for Death“ und „On Dark Horses“ wurden noch mit voller Band eingespielt; düster-dräuend das Schlagzeug, schwindeln machend die Gitarren-Klangwand, klar und voll Rundles an Tori Amos erinnernder Alt.
Es ist faszinierend, die Entwicklung Rundles mit der einer weiteren großartigen Sängerin und Songwriterin, der Katalanin Joana Serrat, zu vergleichen. Wie Rundle ist Serrat 41 und verarbeitet auf ihrem fünften Album „Big Wave“ große Traumata. Die Musik, früher Americana, zuletzt angereichert mit majestätischen Shoegaze-Klangschichten, schwebte stets aufwärts. Jetzt kämpfen Serrats Stimme und ihre nach wie vor herrlichen Melodien mit tonnenschweren Gothic-Arrangements.
Diese Arrangements waren typisch für Rundle. Jetzt, auf der Gegenspur unterwegs, klingt ihre Musik immer noch nicht optimistisch, gleichwohl befreiter. Ihre Stimme gelangt zu sich selbst. Luft in ihrem inneren Strudel holt sie freilich nicht: Er wird nur ruhiger, doch Rundle verbleibt noch in ihm, sie fühlt sich, so wirkt es, noch zuhause in ihm.
Von der kalifornischen Musikerin Lesley Kernochan stammt das Wort, das für die Erfahrungen mit dieser unmittelbaren Musik stehen könnte: „Brutiful“ – brutal und schön zugleich.
Emma Ruth Rundle | Gebäude 9, Köln | So 11.8. 20 Uhr | Bahnhof Langendreer, Bochum | Di 13.8. 20 Uhr
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