Vor uns liegt ein weites Tal
Die Sonne scheint mit Glitzerstrahl
Die Fahrbahn ist ein graues Band
Weiße Streifen, grüner Rand (Kraftwerk)
Es gibt kaum visuelle Highlights auf der Autobahn. Zumindest keine, die in irgendeiner Weise etwas mit Kultur zu tun haben. Oder sollte tatsächlich einer den gelben ADAC-Hubschrauber am Kamener Kreuz oder die „boring“ Deko-Würfel von Otmar Alt auf der A2 als Kunst identifizieren? Selbst beim 1968 aufgestellten „Autobahndenkmal" von Peter Brüning an der A1 bei Wuppertal, denken die meisten doch, dahinter verkaufe ein Reifenhändler seine Alufelgen.
Aber es gibt noch weit merkwürdigere Phänomene auf den Zentralachsen durch die Republik: die Länderschilder. Mir wäre das eigentlich gar nicht aufgefallen, weil ich natürlich immer auf die Verkehrslage achte, aber nach dem Streit im hohen Norden bin ich doch aufmerksam geworden. Kann es sein, dass Schleswig-Holstein „Der echte Norden!" ist, während Niedersachsen nur „Immer eine gute Idee“ hat und Mecklenburg-Vorpommern nur gut tut? Zurück durch das „Land der Frühaufsteher" habe ich dann aufgepasst, wie sich NRW präsentiert und – nichts bemerkt. Komisch ein ganzes Bundesland Niemandsland? „Rahn müsste schießen…“ – aber der Schriftzug rottet in Essen auf einer Autobahnbrücke. Bei der nächsten Reise auf der A1 habe ich dann besser aufgepasst, die Geschwindigkeit verringert, Ausschau gehalten. Freundlich werde ich von Niedersachsen verabschiedet. Jetzt muss es kommen. Aber es kommt nicht…, ne…, doch da!
Ein kleines Wappen an der Lärmschutzwand, leicht verdeckt von bösen Büschen, nurdas weiße Westfalenpferd auf rotem Grund erkenne ich bei 80 so eben. Das war´s. Nichts mit dümmlicher Werbung. Was sollte man auch sagen? Land des verkohlten Rheinweins? Stahlregion mit Domblick? Oder blöde Sprüche wie aus Bade Wüddebersch: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch" Ah ja. Das würde in NRW auch passen. Etwas verändert. Für ein paar Millionen Euro Marketing vielleicht. „Wir können nix, und haben nicht einmal mehr Kohle“, das hätte Substanz. Obwohl Kohle wäre da.Der nordrhein-westfälische Spielcasinobetreiber Westspiel will in New York im November zwei seiner wichtigsten Bilder versteigern lassen und erhofft sich dafür 100 Millionen Euro. Das wussten Sie gar nicht?
Das die landeseigene NRW.Bank, der die Gesellschaft gehört, mit Ihren Steuergeldern einst teure Deko fürs Casino eingekauft hat? Hoffen wir, dass der Deal nicht auch noch in die Hose geht.Letzte Woche dann der finale Schock auf dem Weg ins Rheinland. Auf der A43, kurz vor dem Wuppertaler Kreuz haben Kunstkenner wieder eine Lärmschutzwand bepinselt. Mit zwei schwarzrotgoldenen Streifen, geschätzte 40 Meter, oder mehr? Dazwischen unser Landeswappen. Mehr konnte ich beim ersten Vorbeirauschen nicht erkennen. Wenn jemals die Rückeroberung des öffentlichen Raums besonders notwendig war, dann hier. Derartige deutschnationale Vergewaltigungen des Geistes braucht kein Verkehrsteilnehmer. Und andere Menschen auch nicht.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Außerhalb der Volksgemeinschaft
Vortrag über die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit in Dortmund – Spezial 04/24
„Ruhrgebietsstory, die nicht von Zechen handelt“
Lisa Roy über ihren Debütroman und das soziale Gefälle in der Region – Über Tage 04/24
Unterschiedliche Erzählungen
Vortrag zur Geschichte des Nahostkonflikts in Bochum – Spezial 03/24
„Was im Ruhrgebiet passiert, steht im globalen Zusammenhang“
Die Dokumentarfilmer Ulrike Franke und Michael Loeken über den Strukturwandel – Über Tage 03/24
Geschichte der Ausbeutung
„Wie Europa Afrika unterentwickelte“ im Bochumer Bahnhof Langendreer – Spezial 02/24
„Einer muss ja in Oberhausen das Licht ausmachen“
Fußballfunktionär Hajo Sommers über Missstände im Ruhrgebiet – Über Tage 02/24
„Mir sind die Schattenseiten deutlicher aufgefallen“
Nora Bossongüber ihre Tätigkeit als Metropolenschreiberin Ruhr – Über Tage 01/24
„Hip-Hop hat im Ruhrgebiet eine höhere Erreichbarkeit als Theater“
Zekai Fenerci von Pottporus über Urbane Kultur in der Region – Über Tage 12/23
Suche nach Klimastrategien
Gespräch im Essener LeseRaum Akazienallee – Spezial 11/23
„Das Ruhrgebiet erscheint mir wie ein Brennglas der deutschen Verhältnisse“
Regisseur Benjamin Reding über das Ruhrgebiet als Drehort – Über Tage 11/23
„Kaum jemand kann vom Schreiben leben“
Iuditha Balint vom Fritz-Hüser-Institut über die Literatur der Arbeitswelt – Über Tage 10/23
Irrweg deutscher Migrationspolitik
„Blackbox Abschiebung“ in Düsseldorf – Spezial 09/23
„Es hat mich umgehauen, so etwas Exotisches im Ruhrgebiet zu sehen“
Fotograf Henning Christoph über Erfahrungen, die seine Arbeit geprägt haben – Über Tage 09/23
Diskursive Fronten überwinden
„Produktives Streiten“ in Mülheim – Spezial 08/23
Erinnern heißt Widerstand
Sommerfest des Fritz Bauer Forums in Bochum – spezial 08/23
„Man könnte es Stadtpsychologie nennen“
Alexander Estis ist für sechs Monate Stadtschreiber von Dortmund – Über Tage 08/23
Metaphern, Mechaniken, Meisterschaften
Offener Tag im Flipperverein Freeplay.ruhr in Herten – Spezial 07/23
Spaß an der Transformation
Gutes Klima Festival in Essen – Festival 07/23
Abschottung gegen Schutzsuchende
Vortrag über die Fluchtsituation auf der Balkanroute in Duisburg – Spezial 06/23
Ich glaub‘, mein Sein pfeift
Vortrag über Mensch-Tier-Beziehung in Dortmund – Spezial 06/23
„Für Start-ups sind die Chancen in Essen größer als in Berlin“
Unternehmer Reinhard Wiesemann über wirtschaftliche Chancen im Ruhrgebiet – Über Tage 06/23
Schwarze deutsche Feministinnen
Tiffany Florvil liest in Dortmund – Spezial 05/23
Wie Gefängnisse Kriminalität fördern
Rechtsanwalt Thomas Galli sprach in Bochum über Strafvollzug
„Radikale Therapien für die Innenstädte“
Christa Reicher über die mögliche Zukunft des Ruhrgebiets – Über Tage 05/23
Verbrechensbekämpfung umdenken
Diskussion im Nordpol Dortmund – Spezial 04/23