Der „Schauraum – Comic und Cartoon“ in Dortmund würdigt mit „Will Eisner – Godfather of Graphic Novel“ in der überhaupt ersten großen monografischen Ausstellung in Deutschland den bedeutenden Comic-Künstler Will Eisner. Die Ausstellung konnte wegen der Pandemie im Januar nicht eröffnen. Im März war ein Besuch dann nach vorheriger Anmeldung möglich, die aktuelle Lage ändert sich gerade täglich. Seit Februar ist es aber möglich, die Ausstellung als digitalen 360-Grad-Rundgang im Internet zu erkunden. Dort sieht man ein paar lebensgroße, auf Karton aufgezogene Figuren aus den Universen von Will Eisners Geschichten, darunter natürlich der Schurken-Jäger „The Spirit“, der sicherlich Eisners bekannteste Figur ist.
Fast im Alleingang
Der Sohn einer zu Beginn des ersten Weltkriegs nach New York emigrierten Familie hat schon früh im Comicgeschäft Fuß fassen können. Mit dem großstädtischen Ganovenjäger „The Spirit“, erfunden Ende der 30er Jahre, im Zeitalter der Superhelden, aber ohne Superkräfte, konnte er sich eine Fangemeinde, aber vor allem eine Firma aufbauen, die regelmäßig zahlreiche amerikanische Zeitungen mit Material versorgte. Schon damals konnte man die Ernsthaftigkeit erkennen, mit denen der jüdische Zeichner gesellschaftliche Themen in seine Arbeit integrierte. Und auch, wie er mit den Möglichkeiten des Mediums spielte, oft selbstreferentiell. Doch nachdem der Erfolg Anfang der 50er Jahre abflaute, widmete sich Will Eisner anderen Betätigungsfeldern und illustrierte vor allem zu Gebrauchszwecken. Erst als ihn die 68er-Generation mit ihren kompromisslosen Underground-Comix wiederentdeckte, wurden Eisners eigene kreative Geister wieder geweckt. Fast im Alleingang entwickelte er Comics im Langformat, in denen er vom Alltag der Großstadtmenschen, von der jüdischen Kultur und dem Antisemitismus und autobiografischen Themen erzählte. Und nebenbei entwickelte er im hohen Alter in den 80er Jahren als Nebeneffekt seiner Lehrtätigkeit auch noch eine Theorie des Comics.
Das alles erzählt einem die Ausstellung im Schauraum in Dortmund mit vielen erzählt einem die Ausstellung im Schauraum in Dortmund mit vielen Originalzeichnungen, Druckwerken und anderen Exponaten aus Eisners Leben und Werk. Mit Texttafeln wird das Material eingeordnet. Eine Schwachtelle der digitalen Ausstellung ist die unbefriedigende Auflösung der Originalzeichnungen, die nur verpixelt zu sehen sind. Hier kann ein Blick in den Katalog zur Ausstellung Abhilfe schaffen. Neben dem Abdruck der Originalseiten aus der Ausstellung findet sich hier ein akribisch recherchierter Text, wie man es von Alexander Brauns Arbeit gewohnt ist. Neben biografischen Aspekten und natürlich einer intensiven Auseinandersetzung mit Will Eisners Werk erfährt man vieles zur amerikanischen Comicgeschichte – von den frühen Zeitungsstrips über die Comichefte bis zu den Underground-Comix der 60er und 70er Jahre und schließlich den Entwicklungen hin zur Graphic Novel, wie man sie beute kennt. Ein unverzichtbarer Band für Comic-Aficionados und ein toller Einstieg für Interessierte.
Katalog: Alexander Braun: „Will Eisner – Godfather of Graphic Novel“, Avant Verlag.
Ausstellung: Will Eisner – Godfather of Graphic Novel | bis 27.6. | digitaler 360-Grad-Rundgang | Schauraum Dortmund
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Intensive Blicke
Fotografin Annelise Kretschmer im MKK Dortmund – Ruhrkunst 03/24
Kultige Cover
Designagentur Hipgnosis in Oberhausen – Ruhrkunst 03/24
Keine Illusionen
Wolf D. Harhammer im Museum Folkwang in Essen – kunst & gut 03/24
„KI erlaubt uns einen Einblick in ein kollektives Unbewusstes“
Kuratorin Inke Arns über Niklas Goldbachs „The Paradise Machine“ im Dortmunder HMKV – Sammlung 03/24
Unter unseren Füßen
Archäologie der Moderne im Ruhr Museum – Ruhrkunst 02/24
Auf und mit der Oberfläche
Wilhelm Wessel im Emil Schumacher Museum in Hagen – kunst & gut 02/24
Diplomatie kreativ
Ingo Günther im Kunstverein Ruhr in Essen – Ruhrkunst 02/24
„Wir sind stolz darauf, diese Werke im Bestand zu haben“
Kuratorin Nadine Engel über die Ausstellung zu Willi Baumeister im Essener Museum Folkwang – Sammlung 02/24
„Die Berührung impliziert eine Verbindung zum Objekt“
Generaldirektor Felix Krämer kuratiert „Tony Cragg: Please Touch!“ im Kunstpalast Düsseldorf – Sammlung 02/24
Ausdruck der Zeit
Expressionismus-Sammlung im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 01/24
Visionen von Gemeinschaft
„Wir ist Zukunft“ im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/24
Kunstvolle Stahlarbeiten
„work comes out of work“ in Bochum – Kunstwandel 01/24
Räume beleben
„Our house is a very very very fine house“ im Kunstmuseum Bochum – kunst & gut 01/24
„Das Digitale ist Teil unserer Welt“
Alain Bieber über „Tim Berresheim. Neue alte Welt“ in Düsseldorf – Sammlung 01/24
Das bisschen Haushalt …
„Kochen Putzen Sorgen“ im Quadrat Bottrop – Ruhrkunst 12/23
Unorte im Fokus
„Die Stadt ist anderswo“ im Bochumer Museum unter Tage – Ruhrkunst 12/23
Der ideale Mann im Symbolismus
„Unheimlich schön“ im MKK Dortmund – Kunstwandel 12/23
Der Kern der Dinge
Zwischen Konzept und Skulptur: Alicja Kwade im Lehmbruck Museum in Duisburg – kunst & gut 12/23
„Obwohl wir Energie verbrauchen, strahlen alle Arbeiten Energie aus“
Museumsdirektor John Jaspers über„Energy / Energie“in Unna und Soest – Sammlung 12/23
Masken und Gesichter
Christoph M. Gais im Museum Küppersmühle in Duisburg – kunst & gut 11/23
Konkret gemalt
„Colours and Lines in Motion“ in Gelsenkirchen – Ruhrkunst 11/23
Kasse machen mit dem Teufel
„Tod und Teufel“ im Museum Kunstpalast – Kunstwandel 11/23
Tauchgang in die Kunstwelt
Das Dive-Festival in Bochum – Kunst 11/23
„Toll für die Stadt, dass wir dieses Museumsgebäude haben“
Kuratorin Julia Lerch Zajączkowska über die Jubiläumsausstellung des Kunstmuseums Bochum – Sammlung 11/23
Auf nach Phantásien!
Illustrationen zu Michael Endes Geschichten in Oberhausen – Ruhrkunst 10/23