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Düster bis poetisch geht es im FRiNGE-Zelt zu.
Foto: Presse

Subversiv die Welt verändern

27. März 2014

Skurrilität ist nicht alles. Das FRiNGE Festival in Recklinghausen – Prolog 04/14

Worte haben Kraft und die Macht zur Veränderung. Kaum ein Text hat dies so eindrücklich bewiesen wie „Weißes Kaninchen, Rotes Kaninchen“ des iranischen Autors Nassim Soleimanpour. Jahrelang durfte er nicht aus dem Iran ausreisen, da er sich weigerte, den Militärdienst anzutreten. Stattdessen ging sein Stück – inzwischen in 15 Sprachen übersetzt – auf die Reise um den Globus. Inzwischen hat sich auch dies geändert, ein Verdienst der geschriebenen und gespielten Worte. In diesem Jahr springen Publikum und Darsteller beim FRiNGE Festival der Ruhrfestspiele ins Unbekannte und begeben sich open air auf eine gemeinsame Reise, verfolgt von Manipulationsmechanismen und Strukturen der Macht.

Seit einem Jahrzehnt hat der „Ableger“ aus Edinburgh seinen Platz beim jährlichen Kulturfest im Vest. Ob atemberaubende Akrobatik, berührendes Tanztheater, poetische Kinderstücke, skurrile Performances, faszinierendes Puppentheater oder Musik von Jazz bis Rock ­– die ganze Bandbreite der freien Szene ist vertreten. Die Stars der Kabarett- und Comedyszene sind es natürlich auch.

In FRiNGE-Zelt geht es hoch her, doch manchmal wird es auch düster. Aus Griechenland kommt das Merlin Puppet Theatre, 1995 von Dimitris Stamou und Demi Papada gegründet. Verwegene Puppen mit melancholischen Hängebacken tauchen auf, doch drollig wirken sie nur auf den ersten Blick. Schnell entpuppen sich die Szenarien als alptraumhafte Bestandsaufnahme modernen Lebens, Tim Burton scheint die Fäden zu ziehen und Träume und monströse Ungeheuer zu manipulieren. „Clowns’ Houses ist ein beunruhigendes Gesellschaftsbild im Miniaturformat. Mit Tischpuppen und Marionetten produzieren die Griechen einen Albtraum, aus dem man tatsächlich wieder erwacht.

Anders, aber nicht weniger spannend führt die spanische Theaterkompanie Argonautadie moderne Lebenswelt vor Augen. Poetisch zeigen auch sie eine merkwürdige Welt, in der die Zivilisation die Natur unaufhaltsam verdrängt und eine Umweltkatastrophe auf die nächste folgt. Trotz oder gerade wegen des bedrückenden Themas ist die Erzählweise der Gruppe statt von Albträumen eher von Leichtigkeit getragen. Konsequent bestehen alle Requisiten aus Holz, und so kann das Publikum erleben, wie aus dem Bühnenboden ein Baum wächst, aus einer Holzkiste eine ganze Stadt, allerdings auch heimgesucht von einem Orkan aus Sägespänen. „Birds in memory“ ist eine energiegeladene Tanz-Performance mit suggestiven Bildern.

Unter dem Motto „FRiNGE im Park“ erobert das schräge Festival jetzt auch den Recklinghäuser Stadtgarten. Das fängt im Sitzen an und geht im Stehen weiter, vor oder nach den Vorstellungen. Immer donnerstags darf jeder eine Seite des Romans „Gretchen“ vorlesen und wird dabei aufgenommen – in Bild und Ton. Die ersten Seiten werden schon am 1. Mai beim Kulturvolksfest eingelesen, und am 7. Juni wird der Roman komplett aufgenommen sein. Als die Theaterintendantin Gretchen wegen einer Unachtsamkeit vor Gericht geladen wird, geschieht das Undenkbare – sie wird zu vier Wochen Hölle verurteilt. Auf einer Insel voller Papageientaucher und seltsamer Wesen.

FRiNGE Festival | Ruhrfestspiele Recklinghausen 2014 | 13.5.-7.6. | 0209 147 79 60

PETER ORTMANN

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