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Türkisch Musik – Klaus Gruber ist nicht begeistert
Foto: Diana Küster

Silvester ins Theater – echt?

30. November 2017

Die Möglichkeiten an der Ruhr zum Jahreswechsel – Prolog 12/17

Fast alle machen die Nacht zum Tag, viele propagieren Brot und Knaller, einige sprengen sich mit Polenböllern gleich die Finger weg. Silvester 2017 im Krankenhaus, oder einfach einmal ins Theater? Das ist Jahr für Jahr eine Option. Nicht überall, nicht immer billig, aber zumindest immer kulturell sinnvoll. Einmal feiern im heruntergekommenen Tanzsaal des Gasthofs „Schwarzer Hirsch“. Thomas Bernhard lässt grüßen, denn im Dortmunder Theater beginnt der Abend im Dörfchen Utzbach mit dessen eigentlich böser Komödie „Der Theatermacher“. Den hat es in die totale Provinz verschlagen. Und das laienhafte Desaster ist nicht aufzuhalten. Die Notbeleuchtung spielt wie immer eine zentrale Rolle – und die Feuerwehr. Eine Silvesterparty findet nach dem Musical „Hairspray“ in der Oper statt.

In Bochum geht es am Abend musikalisch erst einmal nach Istanbul. Im gleichnamigen Sezen-Aksu-Liederabend fragt man sich, was gewesen wäre, wenn das Wirtschaftswunder in der Türkei stattgefunden hätte. Klaus Gruber, Arbeiter aus Bochum reist in die Metropole am Bosporus auf der Suche nach einem Job, ihn begleiten die Lieder der türkischen Königin des Pops auf seiner schwierigen Mission – und das ist auch die Suche nach Glück, Heimat und Liebe, bei der auf Deutsch gespielt und auf Türkisch gesungen wird. Blöd, dass Klaus Gruber die Sprache nicht beherrscht, die Kultur nicht versteht und sich irgendwie ausgegrenzt fühlt. Wieso eigentlich? Schönes Ergebnis: Im Anschluss wird gefeiert. Die Silvesterparty mit DJ und Live-Musik ist in allen Tickets des Abends enthalten und findet natürlich im Großen Haus statt, geböllert wird natürlich auch. Nur zur Sicherheit: Der Seeteufel Saltimbocca mit Parmesanschaum, Mangold und gegrillten Süßkartoffel-Talern im Tanas ist im Kartenpreis natürlich nicht enthalten.

Auch im Essener Grillo geht es zum Jahreswechsel um die sogenannte Willkommenskultur und den Umgang mit Fremden. Anders als der Arbeiter Klaus Gruber auf dem Weg in die Türkei geht Benny hier gut ausgebildet als Dozent in die USA. Er fände es toll, wenn in dieser Zeit sein WG-Zimmer Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden könnte. Seine Mitbewohner sind nicht alle begeistert. Die sehr unterschiedlichen Haltungen zu den Fremden brechen in der Komödie „Willkommen“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz schnell durch und eskalieren, wenn sich Sozialarbeiter Achmed unverblümt über Araber und Gutmenschen auslässt und so die Toleranzgrenzen auslotet. Vielleicht müssen sich ja viele die Wünsche fürs neue Jahr 2018 noch einmal überlegen. Das WG-Abendessen wird jedenfalls spannend. Danach kann man auch in Essen gepflegt und mit Musik das alte Jahr ausklingen lassen. Die Silvesterparty mit DJ findet im Café Central International und im Hayati statt.

Das waren natürlich nur drei Beispiele, die zeigen, dass es im Ruhrgebiet Kultur-Alternativen zum kultigen „Dinner for One“ auf dem Flachbildschirm gibt. Doch auch in den soziokulturellen Zentren geht die Post an diesem Abend ab. Nur die Böller sollte man zuhause lassen. 

„Der Theatermacher“ | 31.12. 18 Uhr | Theater Dortmund | www.theaterdo.de

„Istanbul“ | 31.12. 20.45 Uhr | Kammerspiele Bochum | www.schauspielhausbochum.de

„Willkommen“ | 31.12. 19 Uhr | Grillo, Essen | www.schauspiel-essen.de

PETER ORTMANN

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