In der Verbindung von Traum und Rausch in der attischen Tragödie sieht Friedrich Nietzsche das erste Beispiel wahrer Kunst. Der Philosoph legte nahe, dass es nach wie vor sinnvoll sein kann, sich dieser Trance hinzugeben: „Unter dem Zauber des Dionysischenschließt sich nicht nur der Bund zwischen Mensch und Mensch wieder zusammen: auch die entfremdete, feindliche oder unterjochte Natur feiert wieder ihr Versöhnungsfest mir ihrem verlorenen Sohne, dem Menschen.“
Wer es wagen will: Das Theater Ruhr eröffnet den zweiten Teil der Rausch-Reihe. Vom 3.11. bis zum 19.11. geht es in Theatervorstellungen, Performances, Kunstinstallationen sowie Partys und Lesungen um Bewusstseinsveränderung durch Kunst. Direkt am Eröffnungstag unternimmt das Regie-Duo aus Amal Omran und Ossama Mohammed einen „Versuch über rituelle Tranceerfahrungen der Liebe“, wie es im Untertitel heißt. In „Shağaf / Singing Hearts“ adaptieren beide die Hadra, ein Ritual der Sufi-Gläubigen, als moderne Gemeinschaftserfahrung, in der sie sich zu den Rhythmen des Kosmos sowie im Einklang mit Jahreszeiten und Lebensprozessen bewegen. Es winken eine Entgrenzung des Ichs und das Einswerden mit dem Göttlichen als universelle Liebe.
Profaner klingtdagegen die theatrale Techno-Party, zuder Regisseur Gordon Kämmerer in „State of Euphoria“ einlädt. Oder stehen die Gestalten der Nacht, die in Clubs oder auf Raves neben anderen zappeln,den ursprünglichen Bacchanalien dochnäher als erwartet? Dass Rauschzustände ebenso im religiösen und regressiven Kontext zu verorten sind, das behandeln verschiedene Diskussionsformate am Theater an der Ruhr. Während Roberto Ciulli, Gründer und bis 2021 künstlerischer Leiter des Hauses, in „Ich, Antonin Artaud“einen der wichtigstenVertreter einer ekstatischen Ästhetik würdigt.
Einen weiteren Klassiker der jüngsten Theatergeschichte rücken KGI – Büro für nicht übertragbare Angelegenheiten vor die Virtual Reality-Brillen: Thomas Bernhards „Heldenplatz“. Das Stück, 1988 uraufgeführt anlässlich des 50. Jahrestags der österreichischen Annexion 1938, befasst sich mit dem Antisemitismus und Nationalismus im Land. Die Folge: Die Premiere konnte damals nur unter Polizeischutz stattfinden, da das rechte Establishment zu Gewalt und Boykott aufrief.
Rausch 2 | 3.11. - 19.11 | Theater an der Ruhr, Mülheim a.d. Ruhr | 0208 599 01 88
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