Ghana und Nordrhein-Westfalen verbindet seit 2007 eine offizielle Partnerschaft. Die zeichnet sich sowohl durch gemeinsame wirtschaftliche und medizinische Projekte als auch eine Zusammenarbeit der Hochschulen aus. Doch in welchem Verhältnis stehen die Menschen in Ghana und Deutschland? Was verbindet und was trennt ghanaische und deutsche Jugendliche? Die Theaterkollaboration „Questions“, die aus einer Partnerschaft von Cactus Junges Theater, vom ghanaischen Tete Adehyemma Dance Theatre und der Youth Home Cultural Group entstanden ist, geht diesen Fragen nach. Am 28. August wurde sie in Tamale uraufgeführt. Am 26. Oktober folgt die NRW-Premiere im Münsteraner Theater im Pumpenhaus.
Das Stück setzt sich aus verschiedenen Perspektiven mit Grenzen auseinander, die auf der Bühne bildlich repräsentiert werden. Die ghanaischen Jugendlichen befassen sich so mit den psychischen Auswirkungen ihrer eigenen Geschichte und dem kollektiven Trauma des Kolonialismus. Die Jugendlichen aus Deutschland wiederum gehen der Frage nach, inwiefern ihre Denkweise, die mit ihrer spezifischen Sozialisation einhergeht, limitiert ist. Im Austausch miteinander sollen diese mentalen Grenzen überwunden und der Weg hin zu einer Zukunft des gegenseitigen Respekts geebnet werden. Die Kostüme bilden eine Verbindungsstelle der aufeinandertreffenden Kulturen: So tauchen einerseits die traditionellen Smocks auf – weite Gewänder aus grobem Stoff, die aus dem Norden Ghanas stammen –, auf der anderen Seite tragen die Figuren in einigen Szenen mit Dirndln typisch bayrische Kleidungsstücke. Das Stück geht auf weiße Flecken der deutschen Vergangenheit und die destruktiven Seiten des kulturellen Austauschs ein. Wenig bekannt – und erst recht kein Teil des deutschen Schulcurriculums – ist das Königreich Dagbon, das heute ein Teil von Ghana ist. Hier verlor der König der Dagomba Naa Andani 1896 eine Schlacht gegen deutsche Truppen. Im Zuge der deutschen Invasion wurde unter anderem der jahrhundertealte Gbewaa-Palast in Yendi niedergebrannt. Ein unschätzbarer Teil der Kultur von Dagbon ging auf diese Weise verloren.
Doch nicht nur deutsche Kolonialverbrechen werden oftmals im Geschichtsunterricht vernachlässigt, auch die Erinnerung an Figuren des Widerstandes. „Questions“ setzt sich deshalb auch mit dem Leben der Königsmutter Yaa Asantewaa auseinander, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit einer Armee von 5000 Mann gegen die britische Kolonialherrschaft kämpfte – Ursache war die Verbannung des Königs der Asante durch die Briten sowie deren Versucht, das Gold des Königreichs unter ihre Kontrolle zu bringen. Warum derartige historische Persönlichkeiten im Gegensatz zu europäischen Freiheitskämpfer:innen in Deutschland weitgehend unbekannt sind, stellt eine der vielen namensgebenden Fragen dar, mit denen sich das Stück beschäftigt – tänzerisch, kritisch und persönlich.
Questions | 26., 27., 28.10. | Theater im Pumpenhaus, Münster | pumpenhaus.de
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