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Ausstellungsansicht Gustav Deppe, Schlieker-Haus,
© Nachlass Deppe, Foto: Claudia Schlieker-Buckup

Gleiche Zeit, gleicher Ort

27. September 2012

Gemälde von Gustav Deppe und Hans-Jürgen Schlieker in Bochum-Querenburg – Ruhrkunst 10/12

Ein konzeptuelles Understatement führt bisweilen zu einem gelungenen Ergebnis: So wenig geglückt in der Ausstellung die angekündigte Gegenüberstellung der Gemälde von Hans-Jürgen Schlieker und Gustav Deppe ist, so beglückend ist doch das, was es in Schliekers einstigem Atelier in Querenburg zu sehen gibt. Vorgestellt werden zwei der wichtigsten Bochumer Maler der Nachkriegszeit, die weit über das Ruhrgebiet hinaus Renommee besitzen. Vor allem in den 1950er und 1960er Jahren waren beide der Avantgarde zuzurechnen und haben doch jeweils einen eigenen künstlerischen Weg eingeschlagen.

Die beiden Maler kannten sich seit Anfang der 1950er Jahre. Hans-Jürgen Schlieker (1924-2004) war von Hamburg nach Bochum gezogen, wo er auf Gustav Deppe (1913-1999) traf und sich mit ihm anfreundete. Deppe war bereits als Mitglied der Gruppe „junger westen“ etabliert, zu der etwa auch Emil Schumacher und Ernst Hermanns gehörten. Deppe lehrte von 1953 bis 1977 an der Werkkunstschule/Fachhochschule in Dortmund. Der ein Jahrzehnt jüngere Schlieker wiederum gründete 1968 gemeinsam mit Max Imdahl das Musische Zentrum der Ruhr-Universität Bochum, wo er bis 1989 unterrichtete. Schlieker, der im Stadtteil Querenburg lebte, erhielt den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen. Gustav Deppe, der 1962 von Witten nach Bochum gezogen war, wurde mit dem Wilhelm-Morgner-Preis der Stadt Soest und dem Ehrenpreis des Wittener Kunst- und Kulturfonds ausgezeichnet.

Und die Malerei? Für beide Künstler spielt das Ruhrgebiet mit seiner industriellen Landschaft eine wichtige Rolle. Schlieker hat einige Zeit unter Tage gearbeitet; vor allem in den 1950er Jahren entstehen Darstellungen der Zechen-Anlagen – vielleicht schwingt das raue Klima, das Fahle und Erdige noch als Ton in seiner späteren Malerei mit, ohne selbst anwesend zu sein. Gustav Deppe seinerseits war als gebürtiger Essener und in Dortmund Studierender ein echtes Kind des Ruhrgebiets. In seiner Malerei konzentrierte er sich ganz auf die Physiognomie der Ruhrlandschaft mit den Förderanlagen und Hochspannungsmasten, mit dem Bergbau und dem Eindrucksvollen der Industriesilhouette. Recht hat trotzdem Hans-Jürgen Schwalm: „Die äußere Wirklichkeit ist lediglich Anlass für seine malerische Fabulierlust, nicht mehr“. Deppe ist ganz und gar kein sozialkritischer Künstler, und wenn die Rede davon ist, Schlieker sei mit seinen Naturstücken romantisch – nun, auch auf Deppe trifft dies zu. Seine Sache ist ein filigran tastender Realismus, der die Sujets zusammenschiebt, in Verbindung mit einer sinnlich vorgetragenen Oberfläche. Claudia Schlieker-Buckup hat in einem Text zur Ausstellung geschrieben: „Industrie wirkt nicht bedrohlich … wunderbar farbig, häufig glühend wird sie dargestellt.“ Deppe hat seine Malereien später zum Materialbild erweitert. Ab den 1980er Jahren wird er alles Realistische auf Grundformen verknappen und in schablonenhafter Schichtung wiedergeben, teils unter Einbezug von Collagen.

Hans-Jürgen Schlieker, der in Ostpommern aufgewachsen ist und in späteren Jahren eine Faszination für Moorlandschaften entwickelt hat, findet seine wesentlichen Anregungen in der Natur. Nach gegenständlichen Anfängen wendet er sich im Laufe der 1950er Jahre zunehmend der Abstraktion zu. Mit seinen malerischen Mauerstrukturen und aufgerissenen Flächen schließt er an die damals gängige Stilrichtung des Informel an. Bemerkenswert ist, dass er Zeit seines Lebens und in allen Werkphasen auch realistische Porträts gemalt hat. Schon deshalb ist es keine Überraschung, dass er sich um 1970, beeindruckt von Reisen und Naturerfahrungen, einer konkreteren Darstellung der Landschaft zuwendet. Dies führt um 1980 zu den großformatigen Gemälden, für die er berühmt ist: Einzelne breite Pinselstriche fahren durch den braunen oder grünen Farbgrund und verhalten sich hier zwischen rein gestischer Zeichnung und der malerischen Schilderung von Ästen.

Industrie-Landschaft ohne Naturstücke
Schade, dass in der Ausstellung nichts von diesen großartigen Malereien zu sehen ist und dass das Vertrauen in die Stärke der unterschiedlichen, zeitgleich entstandenen Bilder, die sich im Nebeneinander um so mehr artikulieren könnten, gefehlt hat. Die Beiträge von Deppe und Schlieker bleiben unkritisch zueinander auf Abstand. Spannend wäre gewesen, zu beobachten, wie sich die Werke der beiden Künstler in verschiedene Richtungen entwickeln. Immerhin, neben dem Eingang hängen frühe „Turmköpfe“ von Schlieker und Deppe nebeneinander, die schon erkennen lassen, dass Schlieker freier mit dem Motiv umgeht und Deppe die Konturen als Linien verwendet, an denen er sich orientiert.

Während Schlieker mit Papierarbeiten im Erdgeschoss gut vertreten ist, ist sein einstiges Atelier im Obergeschoss weitgehend Gustav Deppe vorbehalten. Hier hat Deppe schon einmal ausgestellt, zu Zeiten, als Schlieker selbst die Werke von Künstlerfreunden der Öffentlichkeit präsentiert hat. Es ist also eine Rückkehr nach Jahrzehnten, nun als Rückblick und Erinnerung. Deutlich wird jetzt erst recht, wie hingebungsvoll Deppe die Industrieanlagen gezeichnet und gemalt hat, wie die Hochspannungsleitungen in den Himmel schneiden und dabei äußerste Fragilität vermitteln und wie selbstverständlich später die Türme im Bildformat Raum einfordern und das Bildgeschehen zur Ruhe bringen. Wie, mit den Erfahrungen von Pop Art und Hard Edge, die Buntfarben zur komplementären Form führen. Ein wichtiger Maler wird hier wiederentdeckt – eingeladen von Hans-Jürgen Schlieker als Gastgeber und malerischer Souverän.

„Industrie – Landschaft. Gustav Deppe und Hans-Jürgen Schlieker“ | Schlieker-Haus, Bochum | bis 28. 10. | www.schlieker-haus.de

THOMAS HIRSCH

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