Frohes neues Jahr. Ich hätte nie gedacht, dass ich das schaffe. Ich habe endlich umgeparkt. Im Kopf. Schon als Kind fuhr ich mit dem Fahrrad die Wittener Straße entlang, immer bergauf, bis ich an diese riesigen Gebäude kam, in denen Autos (damals unerreichbar) gebaut wurden. Mütter und Väter meiner Kumpels strömten da zu bestimmten Zeiten rein und raus, mein Vater verströmte seine Gesundheit lieber in den Stahlwerken, wo eher die Bleche für die Blitz-Karossen gewalzt wurden. Er träumte immer vom Opel-Kapitän, ich auch, doch reichte es irgendwann nur für einen abgelegten Kadett vom Schwiegervater, eine rostende rote Scheißkarre, gut dass irgendwann Kinder und mein Bulli da waren. Also umgeparkt, oft verrät der zweite Blick eben mehr als der erste, sagt der Konzern. Genau. Kann ein Auto Karl heißen? Klar doch. Manche heißen auch Schrotthaufen. Oder Adam und Eva. Mein Nachbar hat jetzt auch umgeparkt. In eine Transfergesellschaft, mit 55 Jahren, nach 35 Jahren bei den US-Amerikanern. Ein nettes Care-Paket gab es nicht, nicht einmal eine Ehrung, auch Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz war zuletzt ausgeladen. Natürlich. Oft verrät der zweite Blick eben mehr als der erste. Oh Tannenbaum. Wo das Herz noch zählt. Und selbst der VfL seinen „Helden“ in die Wüste schickt. Wo Nokia weg, wo alles weg, wo niemand mehr hin, da wo ich bin, oh du Ruhrgebiet, du Perlenrevier, du Einöde, die selbst Smaug meidet wie einen neuen Opel. Ein neuer Hit?
Wer wollte so eine Imperialistenkarre hier noch fahren? Ein Konzern, pleite wie die Geier, aufgepäppelt mit amerikanischen Steuergeldern (oder etwa frisch gedruckt?), macht sich in Europa auch noch selbst Konkurrenz, will, ich zitiere: alltagstaugliche Lösungen für die Gegenwart bieten, ohne die Zukunft der Umwelt zu vergessen – oder mein Budget. Zum Gröhlen. Dann doch lieber das GM-Original, da weiß man wenigstens warum man dagegentreten möchte. Doch ist das besser als die alte modifizierte Nähmaschine? Ich glaube nicht. Was jetzt vonnöten ist, ist Haltung. Das Ruhrgebiet ist Opel-frei, und so soll es auch werden – Opel-frei. Jeder Popel fährt ’nen Opel. Der Satz ist auch schon uralt, hat aber nach der Schließung eines Werks und der Freistellung von tausenden von Mitarbeitern eine ganz neue Bedeutung bekommen. Und selbst die aktuelle pseudoinnovative Werbekampagne macht die Preise nicht besser. Also Umparken im Kopf, jetzt. Streichen wir das 52-jährige Kapitel aus dem kollektiven Gedächtnis, lassen wir lieber die ollen Zechenkapellen lauter trompeten. Strukturwandel, wer braucht so einen Scheiß, wenn man Arbeit hat oder wenigstens eine Transfergesellschaft. Wir wohnen immerhin in einer Metropole. Das ist Detroit ja auch nicht mehr. Also.
Kapitalismus ist eine tolle Sache, wenn man Geld hat oder etwas Wichtiges zu verkaufen. Und sei es die eigene Gesundheit. Ich geh mal auf den Balkon eine rauchen und schaue auf den Parkplatz. VW, Audi, ein paar Franzosen und ein mittelalterlicher, aber glänzender Mercedes. Von Opel weit und breit keine Spur, und das 1.500 Meter Luftlinie vom Werk entfernt. Recht so. Wer einen Zapffira oder so findet, blitzschnell umparken.
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