Einer der „Stars“ dieser Ausstellung ist das Holzrelief von Alfonso Hüppi. Es springt dem Betrachter aus der Fläche heraus entgegen und verfügt selbst über einen spannungsvollen Bildraum: Wir meinen, dass zwei Holzkuben zueinander versetzt auf einem Holzboden stehen und wir da jetzt hindurch schreiten könnten. Jahrzehnte vor der Popularisierung von 3-D-Effekten arbeitet Alfonso Hüppi, der Schweizer Künstler mit Wohnsitz in Baden-Baden, mit der Plastizität auf der Fläche. Seine Mittel sind ebenso lapidar wie wirkungsvoll. Das Bild ist tatsächlich aus Holzbrettern zusammengefügt und die rechte untere Ecke ist abgeschrägt, was vom räumlichen Gefüge des einen Kubus aufgenommen wird: Alfonso Hüppi kombiniert Realität mit Illusion.
Entstanden 1973 und seiner Werkgruppe der „Holzwände“ zuzuordnen, ist Hüppis Relief ein vorzügliches Beispiel für die internationale Avantgarde dieser Jahre zwischen dem geometrischen Hard Edge und der flirrenden Irritation der Op Art, zum einen in Berührung mit der äußersten Reduktion von ZERO, zum anderen in Abgrenzung von den figurativen Tendenzen und der Pop Art oder dem Spezialfall Fluxus. Es nimmt die Idee der tatsächlich schrägen „Shaped Canvas“ auf und ist dabei selbst ebenso gegenständlich wie gegenstandsfrei – es liegt schließlich an unserem Blick und der Annäherung mit den Füßen, was wir draus machen.
Diese Gleichzeitigkeit der unterschiedlichen stilistischen Tendenzen, die sich in rascher Abfolge ab Ende der 1950er und bis in die 1970er Jahre in den Kunstmetropolen ausgebildet hatten, ist nun das Thema der neuen Sammlungspräsentation im Dortmunder U. In separaten Räumen, aber miteinander korrespondierend, werden anhand der eigenen, unterschiedlich aussagekräftigen Bestände die wichtigen Ismen der Globalisierung der Kunst rekapituliert. Zugleich werden die hausinternen Schwerpunkte von ZERO um Heinz Mack und Otto Piene und von Fluxus vertieft. An Al Hansen, der wie so mancher seiner Kollegen nach dem Krieg über das amerikanische Militär in Deutschland hängen blieb und in Köln ansässig wurde, wird anlässlich seines 20. Todestages gedacht: eine aufmerksame Geste für einen der stillsten Fluxus-Künstler überhaupt. Wenige kennen den Namen von Al Hansen, aber seine Venus-Darstellungen aus den Abfällen der Genussgüter der Wohlstandsgesellschaft sind vertraut. Sie sind simple, dabei mit Hingabe gemachte Miniaturen, die sich in ihrer Geste mit seinen Performances deckten: als Operationen am offenen Herzen des Alltags. Schön auch, dass von Geoffrey Hendricks, der im vergangenen Jahr den Fluxus-Preis des Museum Ostwall erhalten hat, die „Himmelsleiter“ zur Erinnerung an Al Hansen ausgestellt ist.
An anderer Stelle werden Victor Vasarely und der Dortmunder Roland Altmann vorgestellt anhand des Siebdrucks als technischem Medium von Pop und Op Art in Zeiten, in denen hierzulande die Jahresgaben der Kunstvereine die Demokratisierung von Kunst vorantrieben. Ab und an wird in der Ausstellung auf die Politisierung der Kunst hingewiesen, etwa bei einer Arbeit von H.A. Schult, und mit jedem Kunstwerk wird natürlich das Bezugssystem komplexer. Um die Dimensionen des Globalen und zugleich systemimmanent Differenten weiter zu erfassen, ist es sinnvoll, durch den verbliebenen Bestand des Dortmunder U eine Treppe hochzugehen, wo in einem Kabinett mehrere Papierarbeiten russischer, non-konformistisch tätiger Künstler präsentiert sind. Richtig umfangreich sind diese implantierten Neuzugänge auf den beiden Ebenen des Museum Ostwall freilich nicht. Aber schon wegen der Arbeit von Alfonso Hüppi und einem sehr frühen, ganz ungewohnten Bild von Dieter Krieg oder dem Raum zu Al Hansen lohnt sich der Besuch dieser Ausstellung, die so frisch und leichthin präsentiert ist, wie sie heißt.
„Angenehmer Aufenthalt. Sammlung in Bewegung“ | bis 30.8. | Museum Ostwall im Dortmunder U | 0231 502 47 23
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