Vom Dortmunder U-Turm lockt neben Friedenstauben zurzeit eine digitale Blumenwiese: Adolph Winkelmann hat seine „Fliegenden Bilder“ auf die neue Ostwall-Ausstellung „FLOWERS!“ eingestellt. Auf dem Vorplatz, den monatelang ein Coronatestzelt verunzierte, blühen nun echte Frühlingsblumen. Endlich was Schönes, Buntes, Leichtes in diesen unguten Zeiten, könnte man meinen. Doch schon im Foyer gerät auf Video-Monitoren unter bedrohlichem Getöse Winkelmanns Wiese ins Wanken, kippt weg und verschwimmt. Blumenmotive, so lautet wohl die Botschaft, sind mitnichten nur lieblich und dekorativ, sondern von facettenreicher Symbolkraft. Und daher in der Kunst äußert beliebt. Rund 180 Werke von über 50 Kunstschaffenden hat das Kuratorenteam zusammengetragen – von Malerei der Klassischen Moderne bis Multimedia und KI aus drei Themenfeldern: persönliches Empfinden, gesellschaftspolitische und ökologische Positionen.
Ausgangspunkt war die museumseigene Sammlung. Und so startet der Rundgang mit expressionistischen Blumenstillleben von Nolde, Münter, Beckmann – Rohlfs „Sonnenblumen“ von 1903 ist das älteste Exponat. Unter der Decke hängt dagegen ganz junge Kunst aus Japan, stilisierte Blüten in kräftigem, warmem Orange. Schön. Doch direkt nebenan Claire Morgans Vitrinen mit fragilen Gebilden aus aufgefädelten Pusteblumen und toten Tieren läuten ein Wechselbad der Gefühle ein, das durch den abwechslungsreichen Parcours begleitet.
Hier riesenhafte Kirschblütenblattobjekte mit weißem Freiraum drumherum, dort das entzückende dunkelgrüne Studienzimmer, das eng bestückt ist mit feinsten Blumenstudien im Merian-Stil neben Dobberts manipulierten „Random Flowers“ und Joos van de Plas‘ Grafiken kitschiger Vasen. Mit Beuys, Richter, Gurskys, Mapplethorpe, Piene u.a. sind große Namen vertreten – es gibt viel zu entdecken. Darunter Werke von „Blumen-Künstlerinnen“, die weibliche Klischees frech unterlaufen: z.B. Pipilotti Rists gut gelaunte Video-Akteurin, die tänzelnd mit ihrem Fackellilien-Knüppel Autofenster zertrümmert. Oder Annette Wehrmanns Blumensprengungen, Renate Bertlmanns scharfes Rosenfeld … Im letzten, verdunkelten Raum setzt Hito Steyerl einen starken Schlussakzent mit fließend mutierender Flora aus der Digitalretorte.
FLOWERS! Blumen in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts | bis 25.9. | Museum Ostwall im Dortmunder U | 0231 502 60 87
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Viele Blumen
„Flowers“ im Museum Ostwall
In der Verlängerung beginnen
Museen zwischen öffnen und schließen – Kunst in NRW 02/21
Der Mensch in Kapiteln
„Body & Soul“ im Museum Ostwall – Ruhrkunst 08/20
Mit allen Sinnen
Idan Hayosh im Dortmunder U – Ruhrkunst 02/20
Die Moderne aus der Nähe
Niederländische Malerei aus der Sammlung Singer Laren in Dortmund – kunst & gut 07/19
Schnake an der Wand
Preisträgerin des MO Kunstpreises Lili Fischer stellt im Museum Ostwall in Dortmund aus – kunst & gut 02/19
Kein letzter Schuss aufs Kunstwerk
Niki de Saint Phalle im Museum Ostwall – Kunstwandel 02/17
Der Charme des Unbeständigen
„Blade Memory II“ im Dortmunder Kunstverein – Ruhrkunst 07/22
Nackte Mannsbilder
„Eros in Erwartung der Ewigkeit“in Duisburg – Ruhrkunst 05/22
Auf Fuchs’ Fährte
Fabian Reimann im Kunstverein Ruhr – Ruhrkunst 04/22
Wetten auf die Zukunft
Videoinstallation „Slow Violence“ in Bochums Zeche Hannover – Ruhrkunst 04/22
Impressionistische Meisterwerke
„Renoir, Monet, Gauguin“ im Museum Folkwang – Ruhrkunst 03/22
Rot im Silberspiegel
Rita Rohlfing im Kunstmuseum Gelsenkirchen – Ruhrkunst 02/22
Vom Zeigen und Verschwinden
Sieben Künstlerinnen im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 01/22
Lichtblicke in Schwefelgelb
Ingeborg Lüscher im Museum unter Tage – Ruhrkunst 12/21
Bilder zur Rettung der Welt
„Das zerbrechliche Paradies“ im Gasometer Oberhausen – Ruhrkunst 11/21
Natur ohne Menschen
Landschaftsfotografie im Museum unter Tage – Ruhrkunst 09/21
Winzige Welten
Friederike Klotz im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 08/21
Seltsame Bilder
„21.lettres“ im Museum Folkwang – Ruhrkunst 08/20
Biene Maja trifft Dragon Ball
Animes – japanische Zeichentrickfilme in Dortmund – Ruhrkunst 08/20
Flaneure vor Industriekulisse
Rudolf Holtappel in Oberhausen – Ruhrkunst 07/20
Universelle Wahrheit
Martin Schoeller im NRW-Forum – Ruhrkunst 07/20
Glasröhrchen-Diskurs
„Neon Delight“ im Lichtkunstzentrum – Ruhrkunst 07/20
Wiedersehen und Neuentdecken
Die eigene Sammlung im erweiterten Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 06/20