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Ausschnitt aus: Dieter Roth, Gerhard Rühm, Oswald Wiener: Selten gehörte Musik. NOVEMBERSYMPHONIE. 2. Berliner Musik-Workshop. ROTH, RÜHM, WIENER. 15.-26.11.73, 1974
© Dieter Roth Estate, Courtesy Hauser & Wirth. Foto: Jürgen Spiler

Lebst Du noch und wie wohnst Du eigentlich?

20. Mai 2016

Kunstvorschau: Verwesung, Entfremdung und ein Tag für Entdeckungen

Wer unter Kunst ein offensichtlich schönes Gemälde versteht, das die Wand, an der es hängt, schmückt und ziert und im besten Falle auch noch dem Raum eine verzauberte Stimmung gibt, ist bei Dieter Roth an der falschen Adresse. Sicherlich ist auch seine Kunst in der Lage, Räume und deren Wirkung zu verändern – allerdings gilt es, sich hier vom objektiv Ästhetischen zu entfernen. Oder um es mit dem Titel der heute im Museum Ostwall anlaufenden Ausstellung zu sagen: Schöne Scheiße. Roth, Anhänger der in den 1960ern aufgekommenen Fluxusbewegung, inszeniert das Kunstwerk als Projektionsfläche unserer Abneigungen. Da schimmelt und fault es über Jahre hinweg, Lebensmittel werden flauschig, Materialien zersetzen sich, Ekel tritt an die Stelle, die der Appetit einst für sich beanspruchte. Roth bricht so mit dem Anspruch der Kunst, etwas Herausragendes zu schaffen, und scheitert dabei ganz gezielt als Künstler. Nichts von dem, was er geschaffen hat, kann als „schön“ tituliert werden, und auch als Autor entgleitet ihm die Sinngebung seiner Werke. Zwar kann er über Materialien und somit über deren Komposition entscheiden, ihr Verlauf und Verwesungsprozess sind jedoch seiner Kontrolle als Urheber enthoben. Diese Entfernung von der schönen Malerei weg in Richtung plakative Vergänglichkeit macht den Reiz der Ausstellung im Dortmunder U aus. Die Ausstellung Dieter Roth. Schöne Scheiße. Dilettantische Meisterwerke ist bis zum 28. August im Museum Ostwall zu sehen.

Der Künstler Gregor Schneider war zuletzt im Ruhrgebiet aktiv, als er den Haupteingang des Kunstmuseum Bochum schließen ließ und stattdessen ein Abflussrohr an anderer Stelle zum neuen Museumseingang erklärte. Mit dem Rauminneren und dessen Wahrnehmung setzt er sich auch in seinem Video „It’s All Rheydt“ auseinander, in dem er Veränderungen in seinem Elternhaus dokumentiert. Schneiders Videopremiere am 24. Mai ist Teil der Ausstellung „Homebase. Das Interieur in der Gegenwartskunst“ der Arthena Foundation, die unsere Beziehung zum privaten Raum hinterfragt. Dabei geht es nicht nur um Einrichtungsgegenstände oder die Komposition von Möbeln zu einem personal space, sondern auch um die Grenzen des individuellen, selbstbestimmten Seins. Welche Bedeutung spielt das Private in einer Zeit, in der wir immer online sind, immer arbeiten könnten, alles teilen und jeden teilhaben lassen an dem, was zuvor in den eigenen vier Räumen stattfand? Instagram, Facebook und Twitter sind nur drei Wege zur Selbstinszenierung, denen wir verfallen und – wie in einer von niemandem beachteten Dystopie – alles preisgeben. Persönliche Interessen und deren Auslebung werden in die Außenwelt verlagert, von ihr abhängig gemacht. Mit einem Schaudern steht am Ende dieser Kausalkette von Gedanken die Frage: Was ist der Mensch im 21. Jahrhundert, wenn nicht die Summe der Ordner auf seiner externen Festplatte?   

Eine einfache Antwort auf diese Frage kann jeder selbst – und ganz für sich – am 22. Mai geben. Die Museen in NRW trumpfen am Internationalen Museumstag mit individuellen Programmen, kostenlosen Führungen und besonderen Veranstaltungen. Neugierigen und Unentschlossen hilft die Seite www.museumstag.de weiter, auf der je nach Stadt, Landkreis oder Region einzusehen ist, was die umliegende Museumslandschaft bietet. Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln etwa begeistert mit einem Programm verschiedener Führungen zu ganz besonderen Themen wie bspw. „Die Farbe Blau“. Im Zentrum für Verfolgte Künste in Solingen stehen öffentliche Führungen zur Malerei von Joachim Ringelnatz oder Einblicke in die Ausstellung „Entdeckte Moderne“ auf dem Programm. Auch im Ruhrgebiet lockt u.a. die Zeche Zollverein mit ermäßigtem Eintritt ins Red Dot Design Museum oder ins Ruhr Museum, das den Internationalen Museumstag zum Familiensonntag macht.

 

Dieter Roth. Schöne Scheiße. Dilettantische Meisterwerke | Museum Ostwall im Dortmunder U | bis zum 28. August | www.dortmund.de

Künstlergespräch mit Gregor Schneider und Premiere der Videopräsentation It’s All Rheydt | Homebase. Das Interieur in der Gegenwartskunst | Kai 10, Arthena Foundation, Düsseldorf | 24. Mai, 19.00 Uhr | www.kaistrasse10.de  

Internationaler Museumstag am 22. Mai | Verschiedene Programme in ganz NRW | www.museumstag.de

Barbara Slotta

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