Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 31
1 2 3 4 5 6 7

12.554 Beiträge zu
3.784 Filmen im Forum

Foto: A. Köhring, © Theater an der Ruhr

Ibsen im syrischen Knast

17. November 2022

„Up there“ am Theater an der Ruhr – Prolog 11/22

Am zweiten Advent-Wochenende könnte man sich ja einmal – und das ist angesichts des politischen Aufbegehrens im Iran überaus zeitgenössisch – mit der politischen und sozialen Verfasstheit der arabischen und europäischen Welt befassen. Im Mülheimer Theater an der Ruhr residiert zurzeit das Collective Ma’louba, eine multinationale Künstler:innen-Plattform, die genau diese thematische Relevanz verfolgt.

Sie zeigen an diesem „feierlichen“ Wochenende „Up there“ von Wael Kadour. Die Koproduktion wird inszeniert von Mohamad Al Rashi und dem syrischen Autor, der auch selbst mitspielt, denn sein Stück handelt nicht nur von den Schwierigkeiten des Schreibenden im Exil, sondern auch von den Problemen, dokumentarisch über wahre Begebenheiten zu berichten, die sich in einem syrischen Frauengefängnis in den Neunzigerjahren zugetragen haben. Für das Projekt erhielten die beiden 2021 einen der begehrten Ibsen Scope Grants. Was hat Henrik Johan Ibsen (1828-1906), der norwegische Dramatiker und Lyriker, mit Syrien zu tun?

1991 führte eine Gruppe oppositioneller Frauen im Frauengefängnis in Damaskus ein Theaterstück auf: ausgerechnet Ibsens Stück „Die Frau vom Meer“, in dem auch das absolute Selbstbestimmungsrecht von Frauen verhandelt wird. Dies rief natürlich die Aufmerksamkeit des Regimes auf den Plan, das die Autorität der Gefängnisverwaltung herausgefordert sah und versuchte, die Aufführung zu unterbinden. Aber die Aufführung fand statt. Als die Frauen dann entlassen wurden, wurde ihnen verboten, über ihr jahrelanges Martyrium im Folterknast zu sprechen. 2011, mit Beginn der syrischen Revolution, verließen sie das Land in Richtung Frankreich, wo Wael Kadour sie traf und interviewte. Aus diesem Material entstand ein dokumentarischer, dramatischer Text, der anhand der fiktiven künstlerischen Zweifel des Autors an sich selbst, die Biografien der Frauen thematisiert, deren Leiden mit der Flucht ja nicht beendet war. Aber auch die Fragen nach der Dualität zwischen den Frauenfiguren aus Ibsens Theaterstück von 1888 und dem Aufbegehren der Kämpferinnen in den 90ern des vergangenen Jahrhunderts bis hin zu denen in Teheran heute, sind implementiert. Das alles in arabischer Sprache mit deutschen Übertiteln, was den authentischen Bezug zwischen arabischer und europäischer Welt auf keinen Fall schmälert.

Up There | So 3.12. (P) 19.30 Uhr & Sa 4.12. 18 Uhr | Theater an der Ruhr, Mülheim | www.theater-an-der-ruhr.de

Peter Ortmann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Chantal im Märchenland

Lesen Sie dazu auch:

Bewusstseinserweiternde Bühne
„Rausch 3“ am Theater an der Ruhr

Brautkleid aus reinster Haut
„Subcutis“ in Mülheim a. d. Ruhr und Köln – Theater Ruhr 01/24

„Theater wieder als Ort einzigartiger Ereignisse etablieren“
Dramaturg Sven Schlötcke übertiefgreifendeVeränderungen am Mülheimer Theater an der Ruhr – Premiere 08/23

Auf diesem geschundenen Planeten
„Weiße Nächte / Retour Natur“ des Theater an der Ruhr – Prolog 08/22

Vom Universum geblendet
„Vom Licht“ am Theater an der Ruhr – Auftritt 04/22

Gegen den Mangel an Erkenntnis
„Vom Licht“ in Mülheim – Prolog 03/22

Nebel, Schaum und falsche Bärte
„Nathan.Death“ am Theater an der Ruhr – Auftritt 11/21

Wenn die Natur zum Ausnahmezustand wird
Vladimir Sorokins „Violetter Schnee“ am Mülheimer Theater an der Ruhr – Bühne 08/21

Beuys inklusive Torte, Kerze und Whisky
Theater, Kunst und Musik gegen Kohle: die Weißen Nächte im Theater an der Ruhr – Festival 08/21

Ihr wollt Brot, sie werfen euch Köpfe hin!
„The Return of Danton“ in Mülheim – Prolog 06/21

Die Toten zum Verwesen freigegeben
„Antigone. Ein Requiem“ im Theater an der Ruhr in Mülheim – Bühne 02/21

Von Sophokles zu Frontex
„Antigone. Ein Requiem“ im Theater an der Ruhr in Mülheim – Prolog 02/21

Bühne.

Hier erscheint die Aufforderung!