Mit seinen gerade einmal „21 und ein bisschen“ Jahren darf sich der Wuppertaler Jan Philipp Zymny ruhig auf die Schulter klopfen: Vor rund fünf Jahren entschied er sich nach einem Semester im Fach Physik für den Schritt in den Poetry Slam und kann inzwischen auf den Titel der Deutschen Poetry Slam-Meisterschaften sowie zwei Buchveröffentlichen zurückblicken. Über 9000 Auftritte hat er bereits absolviert und ist neben seiner Slammerberufung unter anderem als Gehirnchirurg für Außerirdische, Otter und zukünftiger Robocop tätig. Was davon stimmt, weiß wohl nur Zymny selbst. Denn wenn er ein bevorzugtes Fachgebiet hat, dann ist es sicherlich dieses: Unsinn reden. So überzeugend, dass die Grenzen zwischen Witz, Verwirrung und Entsetzen fließend ineinander übergehen.
„Ihr werdet heute nichts lernen.“ Das stellt Jan Philipp Zymny klar, unmittelbar nachdem er sein Publikum im Grammatikoff begrüßt hat. Mit seinem Programm „Bärenkatapult“ bringt er den ultimativen Nonsens am 5. März auch nach Duisburg. Und sein Versprechen hält er: Wie kein Zweiter versteht es Zymny, dem Unsinn eine Bühne zu geben, auf der er sich präsentieren und von seiner sinnlosesten Seite zeigen kann. Dabei erzählt Zymny kleine Anekdoten und Geschichten mit Hilfe von technischen Kniffen oder ohne jegliche Requisiten. Seine stärkste Waffe ist seine Stimme, mit der er verschiedenste Tonlagen und Frequenzen erreichen und eine breite Palette an Charakteren imitieren kann, darunter Kinder, Tiere, Gott und Batman.
Im Mittelpunkt steht bei Zymny „Unfug mit Struktur“. Alltagssituationen, eigene Erlebnisse oder Themen aus der Politik entfremdet und verfrachtet er in eine unwirkliche, skurrile Welt, in der jeder noch so nebensächliche Begriff wörtlich genommen wird und sich jeglichen Zusammenhangs entledigt. Dieses Konzept, das eigentlich so einfach scheint, zeigt enorme Wirkung: Problemlos hält Zymny sein Publikum bei Laune, indem er Nashörner klingeln lässt und mit ihnen telefoniert, Menschentrauben zu vorzüglichen Köstlichkeiten macht und es Batterien und Döner regnen lässt, denn „Batterie ist ein Synonym für Blitz und Döner klingt wie Donner“.
Zuweilen geschieht das Unausweichliche und Zymny verliert sich in einem Sumpf aus sinnfreien Phrasen ohne Tiefgang und Bezug auf das vorangegangene Thema. Denn obwohl er ein Programm vorbereitet hat, improvisiert er auf der Bühne und spielt mit der Situation. Dabei trifft er den Humor des Publikums, dem er es mit seiner entspannten Art sehr einfach macht, sich mit ihm zu identifizieren und ihm spontane Ausbrüche des Unsinns nicht bloß zu verzeihen, sondern sie schlichtweg für lustig zu erachten. Es ist längst nicht jede Pointe ein Brüller, doch durch sein extrovertiertes Auftreten schafft Zymny witzige Momente, wo es eigentlich gar keine gibt. Er wirkt oft verwirrt und schweift schnell ab, doch das ist Teil des Programms und des Images, für das ihn seine Fans lieben. Zymny ist ein Unterhalter der jungen Generation. Er kennt die Insider der Jugendlichen sowie ihre Sorgen und Probleme und tritt auf als ihr guter Freund, der zeitweilig desorganisiert ist und dennoch – oder womöglich deswegen – liebenswürdig, eben „50 Prozent Knuddel und 50 Prozent Kuschel“. Gleichzeitig aber versteht er es, sich nicht auf seine eigene Generation zu fixieren. Auch ältere Semester begeistert er mit Politik und Popkultur.
In der Pause und nach dem Auftritt gibt Jan Philipp Zymny fleißig Autogramme und schießt Selfies mit seinen Fans. Dabei nimmt er sich viel Zeit für jeden Einzelnen. Noch ist das möglich – denn der junge Slammer wird zweifelsohne in absehbarer Zeit einer der Großen sein und gehört schon jetzt zu den Sternchen des Poetry Slam.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Road Movie
Daniel Romano am 16.6. im Grammatikoff Duisburg – Musik 06/15
Die Spätlese aus Wuppertal
Jan Philipp Zymny mit seinem Programm „Bärenkatapult“ im Grammatikoff
„Warum sind Depressionen in Deutschland tabu?“
Oliver Polak stellte im Grammatikoff sein zweites Buch vor – Literatur 02/15
Wenn das Lachen vergeht
Oliver Polak liest aus seinem Buch „Der jüdische Patient“ am 23.2. im Grammatikoff
Die Neo-Boyband
Das Kölner Neo-Pop-Trio Juri im Grammatikoff in Duisburg – Musik 01/15
Pop mit Hand und Fuß
Das Kölner Neo-Pop-Trio JURI spielt am 23.1. im Grammatikoff
Vom Wohnwagen auf die Bühne
Daughters of Davis mit Folk und Soul im Grammatikoff – Musik 12/14
Schwesterherzen im Van
Das Singer Songwriter-Duo Daughters of Davis spielt am 19.12. im Grammatikoff
Eine Zeitreise im Schnelldurchlauf
Musik For The Kitchen, Musik mit einem K… – Musik 10/14
Eine kostenlose Zeitreise
Musik For The Kitchen bringen den Swing nach Duisburg
Kurz vor Kitsch
Team Me am 30.5. im Grammatikoff in Duisburg – Musik 05/13
Forschung mal anders
Der WDR5 Science Slam füllte das Duisburger Grammatikoff bis auf den letzten Platz – Bühne 11/12
„Wir brauchen sichere, offene Orte“
Ab der Spielzeit 2025/26 leitet Dramaturgin Sabine Reich das Prinz Regent Theater in Bochum – Premiere 08/25
Schnöde Technik oder Magie?
„Oracle“ bei der Ruhrtriennale – Prolog 07/25
„Eine Welt, die aus den Fugen ist“
Kulturamtsleiter Benjamin Reissenberger über das Festival Shakespeare Inside Out in Neuss – Premiere 07/25
Der verhüllte Picasso
„Lamentos“ am Opernhaus Dortmund – Tanz an der Ruhr 07/25
Von Shakespeare bis Biene Maja
Sommertheater in NRW – Prolog 06/25
„Da werden auch die großen Fragen der Welt gestellt“
Kirstin Hess vom Jungen Schauspiel Düsseldorf über das 41. Westwind Festival – Premiere 06/25
„Das Publikum ist verjüngt und vielfältig“
Opernintendant Heribert Germeshausen zum Wagner-Kosmos in Dortmund – Interview 06/25
Tanz als Protest
„Borda“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 06/25
Morgenröte hinter KI-Clouds
Das Impulse Festival 2025 in Mülheim, Köln und Düsseldorf – Prolog 05/25
Rock mit Käfern, Spiel mit Reifen
41. Westwind Festival in Düsseldorf – Festival 05/25
Das Vermächtnis bewahren
Eröffnung des Bochumer Fritz Bauer Forums – Bühne 05/25
Von und für Kinder
„Peter Pan“ am Theater Hagen – Prolog 05/25
„Der Zweifel als politische Waffe“
Intendant Olaf Kröck über die Ruhrfestspiele 2025 in Recklinghausen – Premiere 05/25