„Hey, what’s up, crazy people?“ Sein stark ausgeprägter Hang zu Anglizismen ist ebenso Markenzeichen Oliver Polaks wie die selbstironischen und gewagten Scherze, mit denen er sich nicht nur Freunde macht. Der Comedian stellte am 23. Februar im Grammatikoff sein Buch „Der jüdische Patient“ vor, sein zweites Werk nach dem Bestseller „Ich darf das, ich bin Jude“. Das neue Buch, obwohl mit viel Witz geschrieben, basiert auf einem bedrückenden Hintergrund: Vor knapp zwei Jahren erleidet Polak einen Zusammenbruch. Zwei Monate verbringt er in einer psychiatrischen Klinik, lässt sich wegen schwerer Depressionen behandeln.
Bei „Der jüdische Patient“ handelt es sich nicht um ein tieftrauriges, freudloses Buch, denn trotz allem ist und bleibt Oliver Polak Comedian. Er kündigt einen nachdenklichen, nicht allzu komischen Abend an, lässt es sich jedoch nicht nehmen, den einen oder anderen Gag aus seinem neuen Programm „Krankes Schwein“ zum Besten zu geben. Mit gewohnt witziger Gelassenheit erzählt er Anekdoten der vergangenen Jahre, fast nichts erinnert an die schwierige Zeit, die er durchgemacht hat. Auf sein verändertes Aussehen kommt er selbst zu sprechen. „Ich habe Antidepressiva genommen – oder eher Anti-Antidepressiva. Ich habe zwanzig Kilo zugenommen. Und auch nicht wieder abgenommen, wie du siehst.“ Noch bevor er zu lesen beginnt, stellt er eine Frage in den Raum und lässt sie unbeantwortet: „Warum sind Depressionen in Deutschland tabu?“
Überraschend ehrlich und ungeniert gewährt Polak tiefe Einblicke in sein Leben zu der Zeit, in der er unter Depressionen litt. Wo sein Buch alles zu offenbaren scheint, was es zu offenbaren gibt, kann Oliver Polak noch eine zusätzliche Geschichte erzählen. Dabei tritt er nicht belehrend oder warnend auf. Er zeigt sich als normaler Mensch, der nicht anders ist als sein Publikum, und schafft es auf eben diese Weise, seine Nachricht glaubhaft zu vermitteln.
Ausführlich beschreibt Polak in „Der jüdische Patient“ seinen Auftritt im Quatsch Comedy Club, den er während seiner Behandlung in der Psychiatrie absolvierte. „Ich fuhr also quasi von einer Klapse in die nächste“, formuliert es Polak treffend. Mit trockenem Humor gibt er wieder, wie er auf der Bühne steht, seine Show als überwiegend miserabel aufgenommen wird und er das Entsetzen über seinen Auftritt nicht versteht. Noch im gleichen Atemzug dann Panikattacken. Das Bild, das er eben noch so witzig beschrieben hat, bekommt einen bitteren Beigeschmack, wenn es von dem Verlust der Kontrolle über den Körper, von Rat- und Hilflosigkeit getrübt wird. Es ist eben diese Art des Erzählens, die Oliver Polaks Buch von ähnlichen Werken abhebt. Polak schönt seine Geschichte nicht, doch er hält auch Abstand von Dramatisierungen und ausschweifenden Weisheiten. Als abschreckendes Beispiel stellt er sich vor die Menschen, die auf sein Schicksal zusteuern, und macht es zugleich denen einfach, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, sich mit ihm zu identifizieren.
„Der jüdische Patient“ begleitet Oliver Polak durch die tägliche Routine im Krankenhaus und auch auf Ausflüge und Familienbesuche, die er ebenso offen wie nüchtern beschreibt, ohne dabei zu irgendeinem Zeitpunkt die Spannung einzubüßen. Wahrscheinlich könnte niemand ein Buch über Depressionen besser verfassen als ein Comedian, der so aufrichtig und direkt wie Oliver Polak über die Krankheit schreibt und dabei nicht in Selbstmitleid versinkt. Wenn sein Leser das Buch weglegt, hat er ebenso die Depression kennengelernt wie den beschwerlichen Weg aus ihr hinaus. Und dazu einen Menschen, der sich zurück ins Leben kämpft. Deprimiert wird er dennoch nicht zurückgelassen – eher mit einem Gefühl der bitteren Freude.
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