Die Zeiten, als die Mischanlage der Kokerei Zollverein der Stahlproduktion diente, sind natürlich vorbei. Allgegenwärtig bleibt allerdings die Kulturindustrie. Und ohne das Mischen, Samplen und Recyclen kommt der Pop bekanntlich nicht aus. Die Ausstellung des US-Amerikaners Tony Cokes trägt daher nicht nur den Titel „Mixing Plant“. Die Urbanen Künste Ruhr haben seine Installationen zudem in die Mischanlage verlegt und ins Programmheft der diesjährigen Ruhrtriennale genommen.
Dass die Intendantin die „Krise der Repräsentation“ als das Leitthema des Kunstfestivals ausgerufen hat, passt da umso besser zum Ort und zur Ausstellung. Nun findet sich der (weiße) Industriearbeiter in den Industriehallen von einst, die zu Kulturtempeln umgerüstet worden sind, ganz sicher nicht repräsentiert – ganz sicher aber in der Welt der Pop-Musik, denn diese bietet jedem seinen Repräsentationsplatz.
„Kulturindustrie schlägt alles mit Ähnlichkeit“, nörgelte der weise Adorno weitsichtig. Denn das Pop-Geschäft saugte in den letzten Jahren immer alle Innovationen auf (vor allem afroamerikanische Einflüsse), um sie wohlfeil für einen Mainstream-Markt wiederzuverwerten. Es ist also ein großer Tummelplatz, auf den sich Tony Cokes in „Mixing Plant“ begibt. Wie ein DJ samplet er dieses unendliche Netz an Referenzen und Material. Sein künstlerisches Prinzip fußt auf Montage und Collage. Songs, Nachrichten, Interviews, Bilder oder Filmszenen reißt Cokes aus dem ursprünglichen Zusammenhang.
Das Ergebnis ist eine Multimedia-Installation aus elf Diashow-Projektionen, zu der man Musik hört. Die Besucher*innen erhalten direkt am Empfang einen Player plus Kopfhörer. Ohne diese Technik funktioniert die Ausstellung nicht, so der Hinweis. Mit den Kopfhörern funktioniert es allerdings auch nicht immer. Manchmal ertönt die Musik. Dann verschwindet sie wieder. Die Projektionen laufen weiter.
Dort huschen steile Thesen über den dicken Beton der Mischanlage. Wie etwa: „Pop Music has no meaning.“ Oder die Offenbarung, dass es heute keine Massenmedien gebe. Aha! Prompt folgt die Versicherung, dass es sich bei dem Präsentierten nicht um Theorie handele. Stringenter wird es in einem anderen Clip. Dort spielen Lars von Trier, Kanye West und David Bowie die Hauptrollen. Oder zumindest Zitate dieser Stars, mit denen sie die Popwelt provokant bis plump-rassistisch versorgten. „Adolf Hitler was one of the first Rockstars. Think about it“, empfiehlt David Bowie.
Dass es vom „Thin White Duke“ Bowie bis hin zu den „Sex Pistols“ eine Kontinuität gibt, die sich als rechtsoffen entpuppen könnte, hat etwa in diesem Sommer Jens Balzer in seinem umfangreichen Buch „Das entfesselte Jahrzehnt. Sound und Geister der 70er“ herausgearbeitet. Die Installation konfrontiert dieses Material jedoch meist nur lose mit der Musik. Falls sie denn läuft. So folgt man den endlosen Zitaten und blickt schließlich doch wieder in das Begleitheft, in dem unter anderem Gedanken über die Zusammenhänge von Musik und Militär stehen. An anderer Stelle wird Jacques Derrida mit dem Dubstep in Verbindung gebracht. Das klingt eigentlich alles so vielversprechend.
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