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Burak Hoffmann, Clemens Dönicke
Foto: Isabel Machado Rios

Amouröse Programmierung

26. Juni 2019

„Ein Sommernachtstraum“ am Theater Oberhausen – Theater Ruhr 07/19

Im Zeitalter programmierter Verfallsdaten haben Reparaturbetriebe einen schweren Stand. Insofern wirkt die Debatte der vier Handwerker in Bob der Baumeister-Kostümen auf dem Oberhausener Ebertplatz anachronistisch. Sie stellen die Frage, ob man „Liebe reparieren“ kann. Eher nicht, man kann sich aber in bessere Zeiten zurückversetzen. Alle Zuschauer der Oberhausener „Sommernachtstraum“-Inszenierung von Paul-Georg Dittrich verfolgen den ersten Akt auf Bildschirmen eines Tablets. Helenas Befremden, als sie dann „live“ über die Blindheit der Liebe spricht, von den Zuschauern aber kaum beachtet wird, ergibt einen netten Rückkopplungseffekt. Danach verteilt sich das Publikum auf Zuschauerraum und Bühne des Theaters, in das eine Installation aus zerknautschten Segelflugzeugen (Ausstattung: Christian Wiehle) samt Toten gerammt ist – ein Bild irgendwo zwischen geflügelter Amor-Ikonografie, Naturbeherrschung und Klimakatastrophe, doch dünn an Erkenntnisgewinn.

Titania und Oberon (Elisabeth Hoppe, Jan Viethen) in beigefarbenem Anzug und Kleid geben das zickige ältere Ehepaar, das seinen Dialog mittels Fernbedienung zurückspult. Es geht hart und empört zu. Am deutlichsten zeigt sich das bei Puck (Clemens Dönicke) im bunten Hosenanzug, der letztlich nur ein kindlicher Vollstrecker ohne Spieltrieb ist. Die Liebestropfen gewinnt er, indem er ein Handy zum digitalen Smoothie verquirlt. Demetrius ist ein Musterschüler, der nun von der liebestollen Diva Helena (Lisa Wolle) verfolgt wird. Ihr Pendant Lysander (Burak Hoffmann) wirkt dagegen orientierungslos, obwohl er eigentlich der biederen Hermia (Ayana Goldstein) nachstellen müsste. Irritiert oder verstört ist keine der Figuren, eher wütend angesichts der amourösen Fehlprogrammierung. Anteil nimmt man an ihrem Schicksal nicht.

Zum Schluss wird das Publikum zur Hochzeits-Coda aus dem Zuschauerraum zurück auf den Ebertplatz gescheucht, wo man zwischen Sprechchor, Massentrauung und Holzstämme sägen wählen kann. So aufwendig die vollmundig als „multimediales Gesamtkunstwerk“ angekündigte Inszenierung daherkommt, ihre Einzelteile schließen sich nicht zusammen. Und die Frage, ob Shakespeares „Sommernachtstraum“ Aussagen über die Liebe im digitalen Zeitalter zulässt, sind letztlich nicht wirklich beantwortet.

„Ein Sommernachtstraum“ | R: Paul-Georg Dittrich | 3., 5., 6.7. je 19.30 Uhr, 7.7. 18 Uhr | Theater Oberhausen | www.theater-oberhausen.de

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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