trailer: Frau De Feo, wer ist La Signora?
Carmela De Feo: La Signora ist eine italienische Frau. Das geht ja schon aus dem Namen hervor. Aber außer dem Aussehen und dem Namen hat sie mit Italien nicht viel zu tun. Sie ist eine Ruhrpott-Figur, kommt aus Oberhausen.
Und sie ist richtig nett?
Na ja, nett ist was anderes. Sie ist ehrlich. Sie lässt sich nichts gefallen. Sie hat den Charme, den Ruhrpottler eben haben. Die sagen dem anderen, was Sache ist, ohne dabei wirklich böse zu sein. La Signora steht nicht auf der Bühne und sagt ihren Text auf. Wenn eine Zuschauerin in ihrer Handtasche kramt, dann spricht sie sie an. La Signora ist eben die ältere Dame, die wir aus dem Ruhrgebiet gut kennen, die aus dem Fenster guckt und ihren Kommentar abgibt.
Unterscheidet sie sich also gar nicht von den Uralteingesessenen?
Doch. Zunächst einmal hat sie ein Haarnetz auf dem Kopf. Sie hat keine Schürze an, wie man das bei einer Oma mit Kittel erwarten würde. Sie trägt eine schwarze Bluse, einen knöchellangen schwarzen Rock, flache schwarze Schuhe. Alles ist zugeknöpft bis obenhin. Dabei spielt sie mit dem italienischen Sex-Appeal. Sie sieht zwar nicht so aus wie Sophia Loren, aber sie möchte auch geliebt und begehrt werden. Sie ist ja irgendwie auch eine Frau. Und sie spielt Akkordeon. Das ist die prägnanteste Verbindung zwischen Italien und dem Ruhrgebiet.
Warum?
Im Ruhrgebiet gab es sehr viele Akkordeonorchester. Das Keyboard hat hier zwar leider eine Menge kaputt gemacht. Aber es gibt in Oberhausen immer noch ein ganz aktives und erfolgreiches Akkordeonorchester. Na, und in Italien steht in jedem Haushalt ein Akkordeon.
Die Kunstfigur unterscheidet sich schon von der Darstellerin?
Ja, La Signora ist großschnäuzig, ich hingegen bin eine ganz Schüchterne. Andererseits hat sie mir schon weitergeholfen. Wenn ich in einem Geschäft Ärger an der Kasse habe, stelle ich mir vor, ich hätte ein Haarnetz auf dem Kopf, und dann kann ich auch böse werden. Sonst würde ich den Ärger runterschlucken.
Haben Sie mit Ihrer italienischen Abstammung als Kind und Jugendliche negative Erfahrungen machen müssen? Waren Sie ein „Spaghettifresser“?
Die anderen Kinder haben mich nicht gehänselt. Ich selbst habe nur gemerkt, dass ich anders bin, weil man mich darauf angesprochen hat. „Du hast ja ’nen komischen Namen.“ Ich selbst habe mich immer als ganz normales Mädchen gesehen, sehe ja auch nicht besonders typisch italienisch aus. Schwierig wurde es, wenn ich zu Hause war. Man hat ja die Sehnsucht zur alten Heimat eingepflanzt bekommen. Meine Eltern sagten mir, ich solle mich nicht zu sehr mit den Leuten hier anfreunden, weil wir ja bald zurück nach Italien gehen würden.
Das hat sich aber nicht bewahrheitet?
Nein, mein Vater hat eine gute Arbeit gehabt. Er hat jetzt hier in Deutschland Enkel, fährt sechs Wochen im Jahr in den Urlaub nach Italien. Meine Eltern denken inzwischen deutsch. Meine Mutter hat in Italien in einem Geschäft nach Kaugummi gefragt und sich aufgeregt, dass man dort das deutsche Wort nicht kennt. Mein Vater wollte in Italien grillen. Da es dort keine Würstchen gibt, nahm er in der Kühltruhe welche mit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die beiden dauerhaft wieder nach Italien zurückkehren.
Fahren Sie nach Italien in den Urlaub?
Nein. In dem Dorf, aus dem meine Familie stammt, war ich vor sieben Jahren das letzte Mal. Das ist eine völlig andere Welt. Wenn ich dorthin komme, wird mir meine Herkunft sehr übel genommen. Man merkt mir dort natürlich sofort an, dass ich aus Deutschland komme, dass ich emigriert bin. Ich bin da irgendwie ein buntes Huhn. Meinen Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen geht es längst nicht so gut wie mir. Die müssen hart arbeiten auf den Feldern oder in den Lederfabriken.
Maria, ihm schmeckt’s nicht?
Genauso wie der Antonio aus dem Film ist mein Vater.
Wie geht es Ihnen als Frau mit italienischen Wurzeln im Ruhrgebiet?
Da kann ich wenig zu sagen. Ich war zunächst einmal Akkordeonistin. Dass ich eine Frau bin, habe ich erst sehr viel später entdeckt. Das Thema hat mich Jahre später erreicht als meine Klassenkameradinnen. Ich habe zwar viel mit Jungs zu tun gehabt. Aber ich habe sie immer nur als musikalische Partner gesehen. Inzwischen weiß ich, dass die Männer im Ruhrgebiet sehr respektvoll mit Frauen umgehen. Ich bin bislang nur einmal nach einer Show von einem Mann umarmt worden, obwohl ich das nicht wollte. Das war in Gelsenkirchen, der Typ hatte bereits einen im Tee und war schwul.
Zur Kabarettszene im Ruhrgebiet: Wollen Sie lieber schwärmen oder fluchen?
Schwärmen! Es gibt eine sehr intensive Freundschaft zwischen allen Kabarettisten, auch zwischen den alten Hasen und den neueren. Es ist familiär. Man unterstützt sich.
Die jungen Kabarettisten haben eine Zukunft?
Sie müssen sich anstrengen. Es boomt im Moment. Jeder versucht, ein paar Witze zu erzählen. Da hatten es die alten Hasen noch einfacher. Da gab es ja nur eine Handvoll.
Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?
Alles soll so bleiben, wie es jetzt ist. Ich bin zufrieden.
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