Donnerstagabend, 20.30 Uhr, Hotel Shanghai Essen, gefühlte 35 Grad Raumtemperatur: Den Tourauftakt von Messer eröffneten Sebastian Witte und der neue Mond. Das Duo, bestehend aus Drums, Gitarre, Gesang und einem Koffer voller Effektgeräte, passte perfekt zur Hauptband und entführte gut eine halbe Stunde lang in die Tiefen menschlicher Gefühlswelten. Dabei erinnerte der klare Sound von Witte an eine düstere Version der Hamburger Schule. Blumfeld oder Kante seien an dieser Stelle als Referenzen genannt. Das Hotel Shanghai hatte sich schon jetzt als adäquater Austragungsort des Konzerts entpuppt. Der sonst eher partylastige Club im Herzen der Essener Innenstadt sorgte mit psychedelischen, visuellen Effekten und wummerndem Sound für eine passende Atmosphäre.
Bevor dann Messer auf die Bühne gingen, folgte eine kurze Umbaupause, in der sich das altersmäßig und szenetechnisch bunt durchmischte Publikum ein Kaltgetränk gönnte und über Genre-Zugehörigkeit von Vor- und Hauptband diskutierte. Musikschreiberlinge sind schnell dabei, wenn es um das Erfinden neuer Genres geht. Messer hatten es sich eigentlich schon in einer recht jungen Schublade mit der Aufschrift „Kopfpunk“ neben Bands wie Captain Planet oder Love A gemütlich gemacht. Dann jedoch stürzten sich auch die großen intellektuellen Blätter auf das aktuelle Album „Die Unsichtbaren“ und aus Kopf- wurde schließlich Feuilleton-Punk. So nichtssagend dieser Stempel aus musikalischer Sicht auch sein mag – er symbolisiert, dass Messer noch ein wenig anders sind als die oben genannten Kollegen in der alten Schublade. Messer sind düster wie die Smiths und punkig wie die Bands von Jens Rachut. Dabei sind sie um kein Effektgerät verlegen, welches ihren Sound auf 80er, New Wave und Post-Punk trimmt (Klangteppiche, Hall und Bassverzerrung inklusive). Die mittlerweile auf ein Quintett herangewachsene Münsteraner Band führt selbst gern Fehlfarben als sehr passende Referenz an und erinnerte auch an diesem Abend nicht selten an die Band von Peter Hein.
Messer spielten sich souverän und mit sporadischen Ansagen durch ihr gut einstündiges Set. Dabei gab es sowohl Songs ihrer aktuellen Platte, als auch neue Songs wie z.B. „Staub“ zu hören. Das fast schon emotionslose Auftreten der Band, deren Sänger Hendrik seinen hageren Körper trotz schweißtreibender Temperaturen ganz british-like in Mantel und Halstuch kuschelte, passte zum morbiden Klang ihrer Musik. Die zwei (!) Drummer ackerten ihre Post-Punk-Beats wie am Fließband herunter, während Sänger, Gitarrist und Basser von den meist verstörenden Videoclips angestrahlt wurden. Das Gesamtbild wirkte wie eine audiovisuelle Dystopie, die zumindest an jenem Abend allgegenwertig war. Ein idealer Abend als Gegenwehr zum allgegenwertigen Karnevalstreiben.
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