Knapp 30 Leute sitzen in der Dämmerung im Hinterhof des Dortmunder Künstlerhauses. Die meisten haben Kopfhörer auf. Es ist immer noch 30 Grad warm und im Hintergrund zwitschern die Vögel ein letztes Mal, bevor sie die Augen schließen. Sie warten gemeinsam mit dem Publikum auf den Klangkünstler Bromb Treb, der den Abend musikalisch beenden wird. Der in Los Angeles beheimatete Musiker ist auf Einladung von Achim Zepezauer nach Dortmund gekommen. Zepezauer, unter anderem Elektroniker beim Musiker:innenkollektiv The Dorf veranstaltet seit mehr als zehn Jahren die Konzertreihe mex des gleichnamigen gemeinnützigen Vereins „für experimentelle und intermediale Musikprojekte“.
Ungelenke Parodie
Der Musiker Bromp Treb aka Neil ‚Cloaca‘ Young passt perfekt in das Profil. Seit mehr als zwei Jahrzehnten veröffentlicht er schräge Aufnahmen oder tritt laut Ankündigung in „Kellern, Bars, Lofts, Wohnzimmern, Abstellräumen und Kunsthäusern überall in Nordamerika und Europa“ auf. An diesem Abend bietet er einen Mix aus größtenteils minimalistischen elektronischen Beats und seltsam anmutenden Geräuschen und Samples, die über Kopfhörer an die Zuhörenden gesendet werden. Dazu schreit er wild ins Mikrofon und liefert er eine ungelenke Parodie einer Tanzperformance, die auch die Gäste ohne Kopfhörer begeistert. Er beschließt des Konzert mit der Aussage, dass die „Empires“, die sich im freien Fall befinden, doch möglichst untergehen sollen. Und damit sind vermutlich nicht nur Regierungen in Iran oder Russland gemeint.
Die mex-Konzerte finden in der Regel im fensterlosen Keller unterhalb des Künstlerhaus Dortmund statt, wo noch einmal eine spezielle Akustik und finstere Atmosphäre herrscht. Diesmal hat man sich aber, auch des Wetters wegen, für die Galerie und den Garten entschieden. Zu den Veranstaltungen finden sich, je nach Programm, Tagesform und Wetterlage, 30 bis 60 Gäste ein – eine Zahl, die Achim Zepezauer als optimal bezeichnet, da so eine gewisse Intimität und Verbundenheit erhalten bleibe. Natürlich würde er, wenn es mal voller werden sollte, niemanden wegschicken. Aber bei der Musik, die sich eindeutig dem Experiment verpflichtet fühlt, ist das zumindest in naher Zukunft nicht zu erwarten.
Gläserne Zauberstäbe
Den Abend in der Galerie eröffnet Elisa Metz. Vor rund fünf Jahren hat sie in der Glaserei ihres Onkels das Material für ihr Instrument „Glass Wands“ entdeckt. Unterschiedlich lange Glasstäbe in verschiedenen Farben bilden die Basis dieses begehbaren Klangkörpers, den sie gemeinsam mit Hanno Mühlenbach entwickelt hat. Bei der Performance schlägt sie die frei schwingenden Glasstäbe mit einem Hammer unterschiedlich stark an und entlockt ihnen Klänge im Obertonbereich, die sich nur minimal voneinander unterscheiden. Am Ende entsteht eine kleine Symphonie der hörbaren Stille.
Elisa Metz ist nur eine von mehr als 500 Musiker:innen, die seit 1992 bei mex aufgetreten sind. Was auffällt: Im Vergleich mit anderen Konzertreihen ist der Frauenanteil recht groß. Darauf achtet der Verein bewusst. Viele Künstler:innen kommen zudem aus dem Ausland und manche sind über die Jahre mehrfach zu Gast gewesen, wie etwa der französische Klangkünstler Antez, der an diesem Abend als zweiter Act angekündigt ist.
Bloß kein Wohlklang
Die Grundlage seiner „no es“-Klangaktion besteht darin, mit den Resonanzstruktur des Raumes zu spielen. Und die hat es in der Galerie mit den hohen Decken in sich: Antez reibt, kratzt und schiebt seine aus Blech und Metall bestehenden Objekte, darunter Trichter und Kegel, über eine riesige Standtrommel. Er dreht dabei Runde um Runde und erzeugt so quietschende, kreischende Töne jenseits der Schmerzgrenze. Wohlklang ist tabu. Später produziert er tief-dröhnende Feedbacks, die an Neil Young und Crazy Horse erinnern. Die Motoren der getunten Autos, die am Künstlerhaus vorbeifahren, fügen sich nahtlos ein. Der Rest ist echte Handarbeit. Im Stahlwerk von Hoesch, dort wo heute der Phoenixsee ruht, ging es vermutlich ähnlich (laut) zu. Lauter Applaus.
Die nächste mex-Konzertreihe findet im Herbst statt, bis dahin müssen die Freund:innen dieser Kunstform aber vermutlich nicht warten. Demnächst soll es eine Art Stammtisch geben, zu dem sich Interessierte wie Bekannte regelmäßig versammeln, um gemeinsam musizieren und diskutieren zu können. Fortsetzung folgt.
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