Was brauchte diese auf einem Auge leicht schielende Hexe, die sich damals im Frühling mit gelben Mimosen geschmückt hat? Ich habe keine Ahnung. Offenbar sagte sie die Wahrheit. Sie brauchte ihn, den Meister.Leicht zu durchdringen ist die Story vom Meister und seiner Margarita von Michail Bulgakow nicht.
Drei Handlungssträngen gilt es zu folgen: Da kommt der Teufel nach Moskau und mischt mit Mord und Totschlag die Geldgierigen und ihre Bürokratie heftig auf – wie bei Goethe ist er beileibe kein Bösewicht. Dann die Liebesgeschichte zwischen dem armen Künstler und Margarita, die vor der Erlösung auch zur Hexe wird. Als drittes Element werden die letzten Tage Jesu nacherzählt, die der Schriftsteller, der sich Meister nennt, in seinem Roman zum Thema gemacht hat. Da findet sich der gequälte Pontius Pilatus, der Jeschua Ha-Nozri lieber retten möchte, da wird über Levi Matthäus geschrieben, der die biblische Geschichte nicht ganz so richtig wiedergibt und natürlich über Judas, der Verrat begeht und dafür zur Rechenschaft gezogen wird.
In Bochum verquirlt Robert Borgmann Michail Bulgakows „Der Meister und Margarita“ und Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion, schafft neue Perspektiven und Zusammenhänge – der gerettete Roman des Meisters taucht jetzt musikalisch an der welligen Oberfläche auf, bildet wohl eine Insel im ziemlich verqueren Ablauf der bekannten Handlungsstränge.
Der Roman „Der Meister und Margarita“ entstand zwischen 1926 und 1940, wurde aber erst mehr als 30 Jahre nach dem Tod von Bulgakow veröffentlicht. Objektiv gesehen greift er darin das alte deutsche Faust-Motiv auf, das auch Goethe inspirierte. Bei Bulgakow kommt der Teufel allerdings ins Sowjet-Moskau der 1930er Jahre und macht das, was ein Teufel eben so macht, derstets das Böse will und stets das Gute schafft.Auch bei Borgmann ist er der schwarze Magier Voland, der Köpfe fallen lässt und sie wieder an ihren Platz setzt, der Geldscheine regnen lässt und die Behörden und Literaturredakteure verhöhnt. „Passion I und II“ heißt die Melange im Schauspielhaus und sucht in der Inszenierung nach etwas, worauf zu vertrauen sein könnte und nach jemandem, der entscheidet, was Fakt und was Glaube wirklich ist. Wir werden sehen.
Passion I und II | R: Robert Borgmann | 8. - 9.10. 19.30 Uhr, 24.10. 18 Uhr | Schauspielhaus Bochum | 0234 33 33 55 55
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Pazifismus neu bewertet
„Gundhi“ am Schauspielhaus Bochum
„Der Text hat viel mit heute zu tun“
Regisseurin Felicitas Brucker über „Trommeln in der Nacht“ am Bochumer Schauspielhaus – Premiere 04/25
Vorlesestunde mit Onkel Max
Max Goldt in den Kammerspielen Bochum – Literatur 01/25
Gegen Remigrationspläne
Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen – Was danach geschah“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 05/24
Ein Baum im Herzen
„Eschenliebe“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 03/24
Siehst du, das ist das Leben
„Der erste fiese Typ“ in Bochum – Theater Ruhr 06/23
Mit Psyche in die Unterwelt
„Underworlds. A Gateway Experience“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 01/23
Tonight's the Night
Musikalische Silvester an den Theatern im Ruhrgebiet – Prolog 12/22
Zeichenhafte Reduktion
NRW-Kunstpreis an Bühnenbildner Johannes Schütz verliehen – Theater in NRW 12/22
Das Kollektiv als Opfer
„Danza Contemporanea de Cuba“ in Bochum – Tanz an der Ruhr 12/22
„Es geht um eine intergenerationelle Amnesie“
Vincent Rietveld über „Bus nach Dachau“ am Schauspielhaus Bochum – Premiere 11/22
Keine Versöhnung in Sicht
„Einfach das Ende der Welt“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 10/22
„Der Zweifel als politische Waffe“
Intendant Olaf Kröck über die Ruhrfestspiele 2025 in Recklinghausen – Premiere 05/25
Entmännlichung und Entfremdung
Festival Tanz NRW 2025 in Essen und anderen Städten – Tanz an der Ruhr 05/25
Von innerer Ruhe bis Endzeitstimmung
Die 50. Mülheimer Theatertagen – Prolog 04/25
Jenseits des männlichen Blicks
„Mother&Daughters“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 04/25
Gegen den ewigen Zweifel
Die Ruhrfestspiele 2025 in Recklinghausen – Prolog 04/25
„Kunst hat keine Farbe, Kunst ist Kunst“
Isabelle und Fabrice Tenembot vom Verein Afrikultur über das 4. Mboa-Festival in Dortmund – Interview 04/25
Das gefährliche Leben von Kindern
„Blindekuh mit dem Tod“ am Jungen Schauspiel in Düsseldorf – Prolog 03/25
Baum der Heilung
„Umuko“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 03/25
Tanzen bis zum Umfallen
46. Duisburger Akzente – Festival 03/25
Kabarett, Cochem-Style
„Zu viele Emotionen“ von Anna Piechotta in Bottrop – Bühne 03/25
Gewinnen um jeden Preis?
„Alle spielen“ im Studio des Dortmunder Theaters – Prolog 03/25
„Ich liebe die Deutungsoffenheit“
Regisseur Roland Schwab über „Parsifal“ am Essener Aalto-Theater – Interview 03/25