Was passiert, wenn der eigentlich nicht verlorene Sohn nach zwölf Jahren wieder in sein ehemaliges Zuhause zurückkommt, in dem er weder erwartet noch bewundert wird? Am Bochumer Schauspielhaus hat das Stück „Einfach das Ende der Welt“ von Jean-Luc Lagarce (1957-1995) Ende des Monats Premiere. Inszeniert hat es Christopher Rüping für das Schauspielhaus Zürich und wurde damit 2021 zum Berliner Theatertreffen eingeladen.
Einen Kinofilm nach dem Theatertext gab es auch schon, er wurde 2016 in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet. Rüping hat in der Schweiz aber eher eine eigene Version auf die Bühne gebracht, mit einem opulenten Bühnenbild und zwei Schauspieler:innen, die für ihre Rollen im vergangen Jahr als Schauspielerin (Maja Beckmann) und Schauspieler (Benjamin Lillie) des Jahres ausgezeichnet wurden. Also viele Goldmedaillen für den Plot des früh verstorbenen französischen Schriftstellers, der in Frankreich zu den meistgespielten Autoren gehört. Sein Stück über die unverrückbaren Haltungen in der Provinz zu „korrekter“ spießbürgerlicher Lebensweise und zur „üblen“ Homosexualität ist eingebettet in dramatische Verwicklungen innerhalb einer Familie.
Der Heimkehrer ist Benjamin, der Videokünstler, der eigentlich nur seiner Familie mitteilen möchte, dass er todkrank ist. Doch er muss dafür in eine Blase tauchen, deren Luft immer noch den schalen Geschmack der Vergangenheit trägt, deren Menschen nach Dutzenden Jahren unveränderlich scheinen und deren Lebenswelt er doch gerade deshalb verlassen hat. Jedes der Familienmitglieder hat mit ihm eine Rechnung offen – nur die ihm bislang unbekannte Schwägerin (Maja Beckmann) scheint anders. Das Bochumer Silberhaar-Premierenpublikum wird sich sicher freuen die ehemalige Elevin des Hauses nach langen Jahren wiederzusehen, machte sie doch zahlreiche Inszenierungen schon in jungen Jahren unverwechselbar, kein Wunder angesichts der berühmten Theaterfamilie aus Herne. Zurück zu Benjamin, der zunehmend zwischen Mutter und Geschwistern Schwierigkeiten bekommt seinen ursprünglichen Plan umzusetzen und drauf und dran ist, die Szenerie zu verlassen. Ob es einen Ausweg aus dem Drama Familie gibt, wird die preisgekrönte Inszenierung zeigen.
Einfach das Ende der Welt | 28. (P), 29.10. 19.30 Uhr | Schauspielhaus Bochum | www.schauspielhausbochum.de
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