Diesmal wirken die schweren Türen im Obergeschoss des Kunstmuseums wie sorgfältige Abschottungen zu einem Laboratorium. Die beiden Hallen sind verdunkelt, die Scheiben verdeckt. Die Apparaturen und Aufbauten muten geheimnisvoll an und wirken im Flackern der farbigen Lampen und dem teils donnernden Ton dramatisch. Thema der Mülheimer Licht- und Soundinstallationen von Helga Griffith ist die Entstehung von Steinkohle und die Gewinnung eines Diamanten, der, ebenfalls ausgestellt, unter einem Glassturz funkelt – aber auch die schwarze Kohle zum Leuchten bringt.
Helga Griffiths, die an der Kunstakademie Stuttgart und dem ZKM Karlsruhe ausgebildet worden ist und seit einigen Jahren internationale Anerkennung erhält, findet extrem eindrucksvolle Bilder für das, was – als ihr eigentliches Anliegen – eigentlich unsichtbar ist: Düfte. Hier nun geht es um den Geruch, den die Steinkohle auf ihrem unvorstellbar langen Entstehungsprozess entwickelt hat. Dieser reicht von der Bildung von Kohlenstoff im Weltall über die Urwälder der Karbonzeit, den Vorgang der „Inkohlung“ abgestorbener Pflanzen bis hin zum Abbau und zur Verbrennung in der Gegenwart – und all das schwingt teils als Ahnung, teils in direkter Wiedergabe in den wirkmächtigen skulpturalen Arrangements und Bildprojektionen mit.
Die Ausstellung in der Alten Post ist Teil des Projektes Kunst & Kohle, mit dem die RuhrKunstMuseen auf das Ende des Steinkohleabbaus mit der letzten Zechenschließung hinweisen. Sie nähern sich den Phänomenen der Kohle und ihrer Gewinnung im Bergbau von ganz verschiedenen Seiten. Mit ihrem ebenso erstaunlichen wie plausiblen Beitrag ist die Installation von Helga Griffiths ein Gewinn für den Ausstellungsreigen. Aber Mülheim belässt es nicht dabei. Denn im Erdgeschoss werden weitere Werke von ihr gezeigt, die die Weite ihrer Forschungen verdeutlichen und nun andere Gerüche visualisieren, aber auch wirklich „riechbar“ machen. Im Grunde sind das ganz neue sinnliche Erfahrungen im Kunstbereich, vorgetragen in wissenschaftlicher, soziologischer Tiefe in ästhetischen Formulierungen.
Helga Griffiths. Die Essenz der Kohle | bis 16.9. | Kunstmuseum Mülheim | 0208 455 51 38
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