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Sebastian Stange (The POD, l.) entdeckt Marcus Bäumers (Blackwood Entertainment) lässige ökonomische Einstellung.
Foto: Marek Firlej

Spieleförderung aus der Hölle

03. Dezember 2019

Next Level Festival for Games in Essen – Games 12/19

Welterbe Zeche Zollverein am Wochenende. Das Next Level Festival for Games stellt das Medium Computerspiel in all seinen Facetten vor. Der Verein Insert Coins e. V. aus Herne macht Spielegeschichte mit alten Arcadeautomaten erfahrbar, während direkt nebenan die virtuelle Realität künstlerisch ausgelotet wird. Ein Spieleparcours mit mehr als zwanzig Stationen füllt eine ganze Halle aus und zeigt interaktiv, wie vielschichtig das Wort „Balance“ ist. Fast überall kann gespielt und ausprobiert werden. Und dann wird natürlich auch über Spiele geredet. So hieß das Symposium am Samstag auch „Let’s talk about Games!“, in dem Spielejournalisten und Spieleentwickler ins Gespräch kommen sollten. Das Verhältnis zwischen Hersteller und Presse, der Erst- und weitere Kontakt mit den Medien sollte im Mittelpunkt stehen. Doch das Gespräch zwischen Sebastian Stange, Spielejournalist bei „The POD – Der Gamespodcast“ und dem Bochumer Entwickler Marcus Bäumer verlief ganz anders als geplant.

Im Kokskohlenbunker der Zeche, in dem das Gespräch, das für den Podcast auch aufgezeichnet wurde, gab es einige Vorzeichen für den Gesprächsverlauf. Jeder Stehtisch, jede Fensterbank bedeckten Info- und Werbematerialien der Film- und Medienstiftung NRW und des Mediennetzwerks NRW.

Der Interviewer und der Interviewte haben noch nicht viele Worte gewechselt, die über die Vorstellung hinausgingen, da merkte Stange an, dass das Thema Journalismus für Indie-Entwickler keine große Rolle spielt. Das erste Spiel von Bäumers Studio Blackwood Entertainment, „Unforeseen Incidents“, ein Grafik-Adventure (geradezu ein Klischee, dass ein deutsches Studio, mit einem Point&Click-Adventure debütiert), wurde von der nationalen wie internationalen Presse zwar positiv, dafür aber relativ wenig aufgenommen.

Zwar freue es einen, so Bäumer, eine wohlwollende Kritik auf einer Plattform wie „Rock Paper Shotgun“, die weltweit bekannt ist und die man selbst gerne liest, aber Einfluss auf die Verkaufszahlen habe das kaum. Wer eine Online-Rezension auf dem Handy in der Bahn liest, kaufe nicht unbedingt das Spiel. Der Medienwechsel zum Computer sei zu groß. „Wichtig ist, wie viele Leute das Spiel kaufen, und nicht, wie viele Leute es gerne gekauft hätten“, resümiert der Entwickler.

Blackwood Games ist ein kleines Studio mit drei Mitarbeitern mit bislang dem einen Spiel im Portfolio. Zwei weitere Spiele („Resort“ und „Morriton Manor“) sind in der Entwicklung bzw. Vorbereitung. In dieser Größenordnung spiele Pressearbeit kaum eine Rolle. Viel wichtiger seien die sozialen Medien. „Es ist schwierig, Leute auf diesen Kanälen zu erreichen, aber wir erreichen dort eben die meisten Leute“, sagt Marcus Bäumer. Facebook zähle dabei nicht zu den Kanälen der Wahl, auf Twitter poste das Studio aber seine Entwicklungsfortschritte.

Und ist ein Spiel erst fertig, spielen heute Influencer eine wichtige Rolle. Menschen ohne journalistische Ausbildung, die das Spiel aber auf Youtube oder Twitch an- oder durchspielen – und im besten Fall viel Spaß dabei haben. „Ich weiß nicht, ob die Existenz von Influencern Einfluss aufs Gamedesign hat“, denkt Stange laut nach. Nicht direkt, doch einige Sätze später, gibt Bäumer zu, dass er jetzt Spiele entwickelt, die auch Spaß machen, nachdem man sie in einem Let’s-Play-Video gesehen hat. Die Verkaufsplattformen Steam und Epic Games Store denken über Systeme nach, Entwickler und Influencer einfacher zusammenzuführen. Die Bezeichnung für Letztere kommt anscheinend nicht von ungefähr.

Indie-Games, dieser Begriff steht für unabhängig von großen Geldgebern entstandene Spiele. Auch Marcus Bäumer ist ein solcher Indie-Entwickler und daher auf andere Finanzmittel angewiesen. Und so erzählt er, wie viel Arbeitszeit dafür draufgeht, Fördermittelanträge auszufüllen. Besonders EU-Förderungen seien krass. Die Förderung sei top. Aber der Antrag muss die Hölle sein. Doch die Szene ist vernetzt, und so arbeite man zusammen mit anderen Entwicklern im Online-Chat gemeinsam an den Anträgen. „Wie im Schulbus hinten auf der Bank noch die Hausaufgaben voneinander abschreiben“, stellt Sebastian Stange amüsiert fest.

Unterschiedliche Medienförderprogramme erlauben Marcus Bäumer, Spiele zu machen und einen „Indie-Lifestyle“ zu leben. Und wer glaubt, dass man wirtschaftliche Ziele brauche, klingt eben wie Bäumers Mutter. Dass die deutsche Spieleförderung aber durchaus ihre Schattenseiten hat, wurde im Stanges Podcast „The POD“ schon öfter kritisiert. In diesem Gespräch hielt sich Stange aber damit sehr zurück.

Das anfangs etwas steife, aber später amüsante Interview wurde aufgezeichnet und ist demnächst auf bei „The POD – der Gamespodcast“ zu hören.

Marek Firlej

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