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Mondsüchtigkeitsphänomene, Dematrialisierungsphänomene und Verknappungsphänomene

Mondsüchtigkeitsphänomene

Die Gassen rund um den Markt in Schwerte sind verzaubert. Schritte hallen durch die Dun - kelheit, Lichter blitzen. Ab und zu eilen merkwürdige Lebewesen vorbei. Schon an der nächsten Ecke können weitere Absonderlichkeiten lauern. Skurrile Gestalten, erheiternde Pferde - dressur und wundersame Ereignisse rund um eine Turmuhr, Märchen aus Tausendundeiner Nacht und zauberhafte Clowns. Das „Welt - theater der Straße“ in Schwerte bietet zum 18. Mal pralles, vitales und höchst unterhaltsames Straßentheater an. Alljährlich kommen inzwischen bis zu 15.000 Besucherinnen und Be - sucher zu einem der größten Schauplätze für internationales Straßentheater in Europa. All die Akteure, die Theater auf Straßen und Plät zen präsentieren, vereint die künstlerische Heraus - forderung, den öffentlichen Raum wieder als kulturellen Raum zurückerobern zu wollen. Und immer noch gilt: Beim Schwerter Straßen - theaterfestival wird kein Eintritt erhoben. Das belgische Theater Tol weiht das Plateau an der Rohrmeisterei ein. In diesem Jahr präsentieren sie mit „Luz“ erneut eine bilderreiche und beeindruckende Groß-Produktion mit Sän - gern und Artisten, in deren Mittelpunkt drei geheime Romanzen, beispielsweise zwischen dem Radrennfahrer Fausto Coppi und Giulia aus den Vierziger und Fünfziger Jahren stehen. Dabei sind auch wieder der Circus Ripopolo, die Gruppe Les Goulus (mit Pferd und Reiter) und das Dortmunder Künstlerkollektiv Artsce - nico, das erneut eine ortsspezifische Produk - tion für die Altstadt unter dem Titel „Blaue Nacht“ zeigt. Jörg Rost inszeniert im Auftrag des Welttheaters den Marktplatz zur Piazza del Popolo. Hier präsentiert sich ein buntes, lebendiges und skurriles Geschehen von Szenen aus der großen Welt der Oper bis hin zu häuslichen Dramen, für die die große Bühne des Markt - plat zes wie geschaffen scheint. Das Straßentheater wird als „Kultur von unten“ bezeichnet, eine „Kultur des freien Eintritts“. In den 1980er Jahren entstanden eigene Straßen - theaterfestivals in Europa und namenhafte französische, italienische, amerikanische und deutsche Kompanien, die die Philosophie des „Theaters auf Augenhöhe“ bis heute in die Städte der Welt tragen.

Fr 27.8. und Sa 28.8., 19.30 bis 00.30 Uhr Altstadt, Marktplätze, Wuckenhof, Rohrmeisterei - Eintritt frei

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Dematrialisierungsphänomene


Die ISEA2010 RUHR gehört zu den internationalen Auftaktveranstaltungen, mit denen das neue Zentrum für Kunst und Kreativität im Dortmunder U eröffnet. Hier werden die Aus - stellung TRUST und die E-Culture Fair stattfinden. Das International Symposium on Electro - nic Art gehört zu den wichtigsten internationalen Festivals für elektronische Kunst. 2010 kommt es erstmals nach Deutschland und präsentiert in Dortmund, Essen und Duisburg aktuelle Entwicklungen der Medienkunst aus aller Welt. Dazu werden in der Metropolregion Ruhr internationale KünstlerInnen und Wissen - schaft ler Innen zusammenkommen. Das Eröff - nungs wochenende bei PACT Zollverein in Essen ist bestimmt durch ein umfangreiches Per - formance- und Workshop-Programm: Mit „evaporated landscapes“ kreiert Mette Ingvart - sen dort eine Landschaft ganz ohne Menschen. Ausgehend von vergänglichen Materialien wie Licht, Klang, Seifenblasen und Schaum kon - stru iert die Performance eine künstliche Welt in fortwährender Veränderung. Choreografie be - deutet hier nicht mehr die Organisation von Körpern und ihren Bewegungen im Raum. Sie wird vielmehr als Beziehung zwischen flüchtigen Elementen verstanden, die auf magische Weise im Raum gleiten und wieder verschwinden. Im Anschluss daran folgt ein performter Stravinsky. Angeregt von der Filmdokumen ta - tion einer Probe der Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Sir Simon Rattle begann der französische Choreograf Xavier Le Roy, sich mit Stravinskys Klassiker „Le Sacre du Prin - temps“ zu beschäftigen. Ohne eigene musikalische Ausbildung begab er sich in ein langwieriges Studium von Rattles Interpretation, als handele es sich dabei um eine eigenständige Choreografie. Dabei verkehren sich Ursache und Wirkung: Gesten und Bewegungen des Dirigenten, die eigentlich zur Synchronisation der Musiker bestimmt sind, scheinen von der Musik selbst hervorgebracht zu werden. Mit Kunst im öffentlichen Raum und einem thematischen Schwerpunkt zu Klang, Licht und Ökologie endet die ISEA2010 RUHR-Konferenz in Duisburg.

Fr 20. und Sa 21.8., 20 und 21 Uhr PACT Zollverein, Essen ISEA2010 RUHR 20. bis 29.8. 0231 55 75 21 21

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Verknappungsphänomene

Ein Intendant geht ohne Reue, aber mit einer Träne in den Augenwinkeln. So richtig wohl fühlte sich Elmar Goerden auf der großen Bühne des Bochumer Schauspielhauses nicht, stand er da doch nicht als Regisseur, sondern als Schauspieler, der angestrengt versuchte, die Regieanweisungen von Marco Massafra umzusetzten. Der Text stammte von Justine el Corte, die das Stückchen „Am Ende – Ohne alles“ ausdrücklich für den Intendanten geschrieben hatte. Noch einmal zeigte der an zwei Tagen und in allen Spielstätten 27 Ur aufführungen. „Ohne Alles 3“ ist ein Festival aus der Not geboren. Im September 2006 brannte das Außen - lager des Theaters mit Bühnenbildern, Re - quisiten und Kostümen ab. Das Theater war in Gefahr, zum Spielzeitstart in gähnender Leere spielen zu müssen. Nun, soweit kam es damals glücklicherweise nicht, aber die Idee zu einem neuen Festival war geboren. Autoren liefern Minidramen mit maximal drei Personen, die Inszenierungen sollten spärlich, aber eben nicht ohne Witz sein. Und so taucht vor dem roten Vorhang Jesus auf, im Originaloutfit (wei ßes Leinen tuch), und beschwert sich bei seinem Vater, dass sein Geburtstag nie ordentlich gefeiert würde, immer würde ein gewisser Weihnachts mann die Lorbeeren kassieren, das sei absolut unfair, er wolle den Kerl nun er - schießen. In dieser herrlich-tiefgründigen Sa - tire von Jonathan Garfinkel taucht nun Paris Hilton (absolut groß: Katja Uffelmann) auf, die den ganzen Vorgang ziemlich uncool findet, nach Dolce und Gabbana lechzt und ganz nebenbei Sigmund Freud vor dem Erschießen rettet, denn ausgerechnet ihn verwechselt Jesus mit Santa Claus. Eine Etage tiefer kämpft Cornelius Schwalm in ausgebeulter Trainings - hose parallel einen skurrilen Wurstwasser - kampf. „Wand Wurst Telleraugen“ im Theater unter Tage am „Tag der offenen vierten Wand“ ist ein Monolog von Verena Unbehaun. „Wir leben in einer Welt mit zu viel Wurst“, schwadroniert Schwalm als Typ, der endlich keine Wurst mehr sein will, der in die Hauptstadt zieht und dort die Wohnung verlässt, weil sein Hund „Mach Platz!“ gesagt hat. Doch er zieht die Show bis zum Ende durch, denn das Büh - nenbild sei besser als der öffentliche Nahver - kehr. „Ohne Alles“ ist ein Autorenfestival, das auf jeden Fall in Bochum erhalten bleiben sollte.

Peter Ortmann

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