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„Totilas“ a.k.a. Paul Hess war ein Highlight des Festivals
Foto: Heike Kandalowski

Dressurplatz der Künste

05. Juli 2016

Maschinenhaus-Festival zelebriert die performative Kunst in Essen – Theater Ruhr 07/16

Es war alles dabei in den vier Festivaltagen im alten Maschinenhaus der Zeche Carl in Altenessen: Tanz- und Kindertheater, Installation, Physical Theatre, ein klassischer Monolog und vieles mehr. Die „Maschinenhaus Familie“ stellte unter Beweis, dass der Untertitel ihres Theaterraums „Produktionsort der Künste" ernst zu nehmen ist. Bei ihren jährlich vergebenen Residenzen gibt es keine Sparteneinschränkung. Und ob die Regisseurin nun Regie oder Posaune studiert hat, ist erstmal unwichtig. Auf das Vorhaben kommt es an, auf die künstlerische Idee, die im ein- bis dreiwöchigen Aufenthalt umgesetzt werden soll. Die Entscheidung darüber, wer die Möglichkeit erhält, im Maschinenhaus zu arbeiten, trifft eine Kommission, die sich wiederum aus Mitgliedern des Trägervereins „Carl Stipendium“ e.V. zusammensetzt. Die Ergebnisse der Vergaben des letzten Jahres 2015 wurden nun beim Festival gezeigt.

Seit 2012 gibt es einen Vereinsvorstand, der sich wieder an dem Ansatz orientiert, unter dem das ehemalige Maschinenhaus 1985 als Kulturort gegründet wurde: Die KünstlerInnen sollen völlig frei in ihrem Denken und Handeln sein, es gibt kein übergreifendes Spielzeitmotto, keine Interventionen der Leitung. Ob es am Ende eine Premiere oder eine Vernissage gibt, oder nur ein Arbeitszwischenstand gezeigt wird, ist den „ResidentInnen“ selbst überlassen.

Mit diesem künstlerfreundlichen und idealistischen Ansatz macht es sich das Maschinenhaus allerdings schwer, ein verlässliches Stammpublikum aufzubauen, denn kaum jemand interessiert sich gleichermaßen für Kindertheater, Physical Theatre, Installationen und klassische Theaterabende. Andererseits: Welche Kulturinstitution muss nicht um Zuschauerzahlen kämpfen? Ganz genau. Egal wie ausdifferenziert eine Spielzeit auch geplant sein mag. So tut das Maschinenhaus also gut daran, den „ResidentInnen“ freie Hand zu lassen; die Qualität der beim Festival gezeigten Arbeiten spricht in den allermeisten Fällen eine deutliche Sprache.

Um nur einige Beispiele des verlängerten Wochenendes zu nennen: Hebt das kraftvolle Tanztheaterstück „The Silence of Animals“ zwar allzu sehr den moralischen Zeigefinger, setzt der Tänzer Paul Hess in seiner genialen sieben Minuten langen Performance „Totilas“ (richtig, das Wunderpferd) im Anschluss vor allem auf Witz und Unterhaltung. Das Live- Hörspiel „Der kleine Wassermann“ ist Kindertheater, das die Jüngsten ernst nimmt und sie nicht für dumm verkauft. Der Monolog „Der Wendepunkt" nach Klaus Mann mit Sven Gey nähert sich unerschrocken einem wenig sinnlichen und dafür umso intellektuelleren Text und lässt das Publikum eine knappe Stunde lang den Atem anhalten. Acht Studierende des Folkwang Studiengangs Physical Theatre zeigen selbst erarbeitete Soli, „Short Cuts“ genannt, die im inhaltlichen Niveau zwar schwanken, jedoch verdeutlichen, was möglich ist, wenn unbändige kreative Energie einen Raum erfüllt.

Der Bühnenraum war überhaupt der heimliche Star des Festivals. Mit wenigen Handgriffen wurde aus ihm eine Arena, ein Dressurplatz, eine Kathedrale der Erinnerung oder eine klassische Bühnensituation. Jedes Setting funktionierte. Vielleicht ist die Überzeugung des Maschinenhaus-Teams, KünstlerInnen frei agieren zu lassen, im Hinblick auf ein mögliches Publikum sehr idealistisch, aber mit Sicherheit an diesem Ort sehr gut aufgehoben.

Auch wenn das Festival mit der Fußball-Europameisterschaft konkurrierte und somit nicht so viele Menschen wie gewünscht den Weg nach Altenessen fanden, war Festival-Atmosphäre zu spüren. Auf dem schönen Zechengelände, zwischen Grill und spielenden Kindern, kamen beim Coffee-to-stay anregende Gespräche über die gezeigten Arbeiten und Theater im Allgemeinen bzw. den Theaterbetrieb auf. Es ist der „Maschinenhaus-Familie“ zu wünschen, dass sie ihren Weg so konsequent weitergeht.

Lisa Kerlin

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