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Maschinenhaus Essen
Foto: André Symann

Trainingsraum für Begegnungen

13. November 2023

„Nah“ im Maschinenraum Essen – Tanz an der Ruhr 11/23

Knapp vier Jahrzehnte der neoliberalen Narrative brachten es mit sich, dass die Vorstellung einer solidarischen Gesellschaft immer mehr aus dem Diskurs verdrängt wurde. Erst während der Corona-Pandemie wurden Teile des Vokabulars wieder ausgepackt. Begriffe wie Solidarität kehrten zurück, wenngleich nur auf die zeitlich begrenzten Maßnahmen – wie etwa Social Distancing – bezogen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass auch die neuen Wortschöpfungen der Jugendsprache soziale Kälte ausstrahlen: beispielsweise der in der Gaming-Kultur entstandene Begriff Non-Playable Character, das Mitmenschen zur passiven, „nicht-spielbaren“ Staffage reduziert.

Vielleicht lassen sich durch körperlichen Ausdruck die Dimensionen von Gemeinsamkeit, von Augenhöhe und Nähe wieder hervorrufen. So lässt es zumindest das choreografische Vorhaben vermuten, das Marie-Lena Kaiser auf der Bühne des Maschinenhauses Essen umsetzen will. Ihr Titel: „Nah“. Und der programmatische Wink verweist nicht nur auf die Überwindung einer räumlichen Distanz, sondern ebenso auf das Gefühl einer Verbundenheit, einer Vertrautheit. Kaiser benutzt den Tanz als Kompass, um ein Miteinander auszuloten, welches nicht durch Hierarchien und Ausgrenzungen geprägt ist.

Die in Essen ansässige Choreografin und Tänzerin begreift ihre Arbeiten als Gruppenprozesse, die Konzepte von Begegnung und Zusammenwirken zwischen den Tänzer:innen und den Zuschauer:innen erforschen. Die Bühne fungiert dabei als Trainingsraum, in dem Machtstrukturen hinterfragt werden sollen. Dieser Ansatz findet sich ebenso in ihrer jüngsten Produktion, die Prozesse und Vorgänge der Zwietracht veranschaulichen und damit transparent machen will.

„Nah“ beginnt bereits mit einer Anordnung, die das Publikum aus der Passivität herausholt: Die Tänzer:innen bewegen sich immer wieder auf die Zuschauer:innen zu. Und auch letztere erhalten die Möglichkeit, ihre Plätze zu wechseln. Die Perspektive im Raum macht Kaiser damit selbst zum choreografischen Motiv, als Spielball, der Distanz und Grenzen erprobt, ohne Antworten zu liefern. Es geht vielmehr um Tanz als partizipatorisches Training – ohne Non-Playable Characters.

Nah | 24., 25.11. | Maschinenhaus Essen | 0201 438 65 70

Benjamin Trilling

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