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„Das Internat“
Foto: Birgit Hupfeld

Kreislauf der ewigen Dummheit

22. Februar 2018

„Das Internat“ im Dortmunder Schauspielhaus – Theater Ruhr 03/18

Eine dunkle Bühne, die sich permanent dreht, eine gespenstische Szenerie, die sich dauernd wiederholt. Der Tod ist die Maske der Revolution. Das Heer der Gefangenen bleibt gefangen, die Körper sind zu Maschinen, zu Puppen geschunden. Der wievielte Kreis der Hölle mag das wohl sein, mit dem uns Ersan Mondtag im Schauspielhaus fast schwindlig schauen lässt? Ohne Anfang ohne Dialoge läuft „Das Internat“ (Text: Alexander Kerlin und Matthias Seier), ohne Ende ist die Pein der Jugendlichen, die sich darin verlieren. Schnell vergessen sind Assoziationen von Schulzeit und Mobbing, hier werden militärisch Gehirne gewaschen, während die Schüler sich rückwärts durch die Zeit bewegen. Und dem Drill muss der Schüler (Philipp Joy Reinhardt) nackt begegnen – hier sei schon mal bemerkt, dass die Trikots mit aufgenähten Genitalien immer besser werden. Alles ist eine Metapher auf die Dekadenz des Denkens der ganzen Menschheit, die immer und immer wieder in dieselben Muster aus Macht und Gewalt stürzt. „Wir leben auf einer Insel der Ahnungslosigkeit“, die Stimme des toten Kindes hilft uns da auch nicht weiter, es wird weiter marschiert, gefoltert werden. Der Kreislauf wird nie unterbrochen und Mondtag liefert dafür grandios höllische Bilder. Eigentlich kriegt man vor Staunen den Mund erst wieder zu, wenn man vor dem Theater steht, so eindrucksvoll brennen sich seine Bilder in den Kopf.

Die Burg auf der Bühne kann niemand verlassen, Atmosphäre und Design scheinen die 1920er-Ästhetik wiederzubeleben, doch ein Internat hat es in Metropolis nie gegeben. Mondtag transportiert in dieser grandiosen ausgefeilten Choreografie auch das Deutsche mit, das dieses Übel des Militarismus und der verfluchten Zucht und Ordnung ja nun zur Genüge kennt. „Bunt sind schon die Wälder“ – das Volkslied zieht sich zäh durch den Abend, immer wieder vom Chor der Internatskinder intoniert. Die Faszination der laufenden Bilder steigert sich, wenn die „Schüler“ den Aufstand proben und ihrem Knecht-Dasein entfliehen wollen. Sonnenlicht flutet die Finsternis und doch – ein neuer Bursche macht noch keinen Sommer, aber einen neuen Führer, und die Bühne dreht sich weiter, sie würde sich jetzt noch drehen, wenn man nicht für ein anderes Stück umbauen müsste.

„Das Internat“ | R: Ersan Mondtag | Sa 10.3., Fr 27.4. 19.30 Uhr, So 11.3. 15 Uhr | Schauspielhaus Dortmund | www.theaterdo.de

PETER ORTMANN

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