Berühmt ist Klaus Rinke für seine ebenso anschaulichen wie kraftvollen plastischen Objekte und Installationen. Deutlicher geht es kaum als mit riesigen, aufgereihten Normaluhren oder mit Metallfässern, die über Schläuche kommunizieren oder mannshohen, transparenten Wasserbehältern, in die Rinke noch gestiegen ist.
Klaus Rinke wurde 1939 in Wattenscheid geboren – die Industrielandschaft des Ruhrgebietes hat ihn geprägt. Er hat an der Essener Folkwangschule studiert und mit Malerei begonnen, die er schon bald in die Abstraktion geführt hat. Aufenthalte in Griechenland und in Frankreich schärften sein Bewusstsein für die einfachen Dinge in der Natur. In ihr fotografierte er den Körper als Fragment – und als er 1965 nach Deutschland zurückkehrte, war für ihn erst einmal Schluss mit der Malerei. Stattdessen wandte er sich, schnell an vorderster Front der Avantgarde, „Primärdemonstrationen“ des Körpers zu und vollzog prozesshafte Aktionen. Rinke fragte nach den Grundlagen des Lebens und der Erde – noch in Verbindung mit Naturphilosophien. Seine zentrale Metapher wurde das Wasser – die Meere, die Flüsse – und er übertrug es in klare Vorgänge, wie dem Schöpfen von Rheinwasser. Das Strömen und das Handeln mit Wasser aber verweisen auf die Zeit: als Vergehen und ewige Wiederkehr. Die hinlänglich bekannten Aspekte hat vor zwei Jahren die Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal herausgearbeitet. Dort schlängelten sich Schläuche zwischen übereinander getürmten Eimern, und versetzt unter einem Holzkreuz und einem Messinglot stand ein Gefäß mit Donauwasser.
Was dort hingegen lediglich nur kurz angesprochen war, stellt Klaus Rinke jetzt ausführlich im Museum Küppersmühle vor mit seiner Ausstellung „Die vierte Kraft“. Rund 300 Werke – kleine Zeichnungen und monumentale Malereien – ergeben in Duisburg eine etwas andere Retrospektive. Die Zeichnungen demonstrieren Rinkes Insistieren auf dem Menschen: Sie zeigen Büsten und Köpfe, verknappt, aber klar lesbar. Sie begleiten das ganze Leben des „Gesamtkünstlers“, wie Rinke sich selbst bezeichnet, und bereiten die großen Bilder vor oder bleiben, was sie sind: feinnervige Notizen des Erlebens.
Überwältigend ist bei den Gemälden auf Segeltuch die schiere Energie der großen schwarzen oder metallisch glänzenden Flächen aus Grafit und Kohle. Sinnlich und irgendwie dämonisch treten dabei auch Häupter oder Torsi hervor, sind mit tiefen Schnitten aus dem Bildgrund herausgeschält und vermitteln eine reliefartige Plastizität. Die Figur ist kantig und organisch zugleich, sie wirkt wie ein Panzer und tritt in ihrer ganzen Schwerkraft – im Raum, ungebunden von Zeit – auf. Und erneut verweist Rinke auf die Kräfte, die aus der Natur kommen und für die Schöpfung stehen: im Tropfen, der auch eine Träne ist und im Rapport als schwarzer Regen (und Zitat auf Tschernobyl) die Gefährdung der Umwelt ausspricht, oder andererseits in der riesigen Arbeit „Als H²O entstand, entstand das Leben“ (2017) erscheint. Und spätestens hier wird deutlich, wie konsequent sich Klaus Rinke, der von 1974 bis 2004 Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie war und mittlerweile in Neufeldern bei Linz und Los Angeles lebt, bis heute treu bleibt.
Klaus Rinke – Die vierte Kraft | bis 23.6. | MKM Museum Küppersmühle in Duisburg | 0203 30 19 48 11
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