Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28

12.557 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

„Spieltrieb“
Foto: Birgit Hupfeld

Keiner spielt vollkommen

24. November 2016

„Spieltrieb“ in Bochum – Theater Ruhr 12/16

Die Unendlichkeit ist nur ein strukturelles Problem, selbst in einer hoch spannenden Verführungs- und Erpressungsgeschichte zwischen zwei Schülern und ihrem Lehrer. Sie bleibt trotz Generationenwechsel und Auflösung aller Werte Bestand des Daseins. Auch das zeigt der „Spieltrieb“ nach dem Roman von Juli Zeh im Bochumer Prinzregenttheater dem Zuschauer. Gespielt vom Jugendclub Junge Prinz*essinnen 15+. Aber das ist eigentlich nach ein paar Minuten vergessen. Hochprofessionell fließt unter der Leitung von Clara Nielebock die hochkomplexe Geschichte dahin und die Texte ihrer Bühnenfassung sind kein leichtes Brot für die jungen Mimen. Insbesondere Jacob Schmidt als (böser) Alev hat da einen gewaltigen Berg vor sich und er meistert ihn grandios, schon vor dem Einlass meldet er sich via Monitor bei den wartenden Zuschauern und erklärt Aspekte der Spieltheorie.

Mit der umgarnt er auch Mitschülerin Ada (überzeugend: Elena Ubrig), die bis dahin ziemlich gelangweilt durchs Leben trieb, ihr Liebesleben mit Olaf (Jonathan Häher) versiebte. Doch jetzt? Alev heckt einen Plan aus, sie macht mit, warum eigentlich? Jede Entscheidung ist doch nur ein gut einstudiertes Spiel, doch unter dem Strich bleiben Wunden, Verletzungen mit Folgen. Trotz rationalem Entscheidungsverhalten geht der Lehrer Smutek (Joscha Kühn) auf den gefährlichen Leim, den Alev in der Turnhalle verstrichen hat. Ada verführt ihn nach Plan, gemeinsam erpressen sie ihn, doch am Ende wird es nur einen Verlierer geben. Gott ist ein Jurist, denn er macht die Regeln und auch die scheinen verletzt zu sein. Smutek wehrt sich mit Gewalt, Ada lässt das Missbrauchsverfahren vor Gericht platzen, Alev hat das Spiel verloren. Nur ein künstlicher Spieler ist ein richtiger Gegner, seine Gegenüber waren es anscheinend nicht.

Die junge Gruppe verheddert sich nicht in der Spekulation eines Erfolgs. Nicht alle Rollen erzeugen Aufmerksamkeit, doch alle sind auf ihre Weise sehenswert, sei es der wortgewandte Geschichtslehrer Höfi (Lukas Vogelsang) oder Dyana Krupetzki als wibbelige, überforderte Mutter oder Enya Becirevic als Ehefrau Schneewittchen. Auch ein Erfolg der Regie. Absolut sehenswert.

„Spieltrieb“ | R: Clara Nielebock | Sa 3.12. 19.30 Uhr | Prinz Regent Theater Bochum | 0234 77 11 17

PETER ORTMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Civil War

Lesen Sie dazu auch:

„Was heißt eigentlich Happy End heute?“
Alexander Vaassen inszeniert „How to date a feminist“ in Bochum – Premiere 05/23

Lug und Trug und göttliche Rettung
„Onkel Wanja“, „Orestes“ und „Dantons Tod“ – Prolog 03/23

Kitchen Stories
„Die Hausherren“ als Uraufführung im Livestream am PRT Bochum – Prolog 03/21

Das langsame Ende eines schnellen Anfangs
„Squash“-Premiere in Bochum – Bühne 02/21

Der Feind im Kopf
„Extremophil“ im Prinz-Regent-Theater Bochum – Theater Ruhr 05/18

Rotieren auf dem Gipfel
„Sisyphos!“ am Prinz Regent Theater in Bochum – Theater Ruhr 04/18

„Wir wollen andere Wege auf der Bühne gehen“
Gespräch zu „Sisyphos!“ im Bochumer Prinzregenttheater – Premiere 03/18

Eine Welt, in der man nur noch denkt
„Woyzeck“ in Bochum – Theater Ruhr 02/18

Das Jahr beginnt mit Flüchen
Komödien sind nicht alles im Theater – Prolog 01/18

Tyrann im Gehege
„Caligula“ im Prinz Regent Bochum – Theater Ruhr 12/17

Das langsame Ersticken im Plüsch
Jean Genets „Die Zofen“ im Bochumer Prinz Regent – Theater Ruhr 11/17

„Drittes Baby“ im Würgegriff
Der Streit um die Intendanz der Prinz Regent Theaters – Theater in NRW 10/17

Theater Ruhr.

Hier erscheint die Aufforderung!