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„Die Zofen“
Foto: Sandra Schuck

Das langsame Ersticken im Plüsch

26. Oktober 2017

Jean Genets „Die Zofen“ im Bochumer Prinz Regent – Theater Ruhr 11/17

Die Zöpfe sind verdammt lang geworden. Lange ging es nicht mehr um Revolte. Aufbegehren? Fehlanzeige. Heute geht es nur noch darum genügend Follower für die eigene nichtige Existenz in der virtuellen Welt zu ergattern. Kein Wunder, dass die Zöpfe immer noch auf der Bühne hängen bei Frank Weiß´ Inszenierung von Jean Genets (1910-86) „Die Zofen“ im Bochumer Prinz Regent Theater. Sie werden sogar zur Schaukel umfunktioniert. Abschneiden kommt nicht mehr in Frage. „Shine your light now, This time it's got to be good, You get it right now, Cause you're in Hollywood“. Das Stück beginnt gekonnt herrschaftlich, Kleider an, Kleider aus. Toller Schmuck. Schnell noch ein Selfi fürs Internet. Wir sind jung und cool und wir sind die „gnädige Frau“, sexy, reich, keine beherrschte Herrin.“ Let's play master and servant.“ Genau das performen die beiden jungen Zofen Claire (Johanna Wieking) und Solange (Philine Bührer), auch wenn das in den ersten Minuten gar nicht zu erkennen ist in Genets Tragödie. Sie spielen das Spiel immer, wenn die richtige „Gnädige“ nicht zu Hause ist. Die Dinge sind aber auch verführerisch, über die sie da ihre Hand halten dürfen, und im Lichte der Gegenwart betrachtet ist ihre Revolte ein böser Anachronismus, denn da kämpft keine unterdrückte Klasse gegen eine dekadente Obrigkeit, da will sich die Erniedrigung selbst an der Dekadenz versuchen. Was bleibt ist ein grandioses Abmurksen bis der Wecker klingelt.

Frank Weiß inszeniert die böse Geschichte schnell und melodiös auf der kleinen Bühne (Sandra Schuck) mit viel Plüsch auf dem Boden, auf einem Schrank und einem Boxspringbett. Hier spielt sich der virtuelle Kampf der Zofen gegen das Herrschertum ab, hier werden die Gifte gemischt und Intrigen gesponnen, die den Herrn des Hauses bereits ins Gefängnis gebracht haben. Doch die Macht ist nicht mit ihnen. Die „gnädige Frau“ (Nermina Kukic) kehrt heim. Die Intrige scheitert. Was bleibt sind „Sweet Dreams“, dazu Demütigung und Unterwerfung im Fantasialand. Doch die beiden Zofen kennen einen realen Ausweg aus den Trugbildern.

„Die Zofen“ | R: Frank Weiß | Mi 8.11., Do 9.11. 19.30 Uhr | Prinz Regent Theater Bochum | www.prinzregenttheater.de

PETER ORTMANN

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