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Auch der Kuchen war thematisch passend bei "Hypergamie" in Bochum
Foto: Tanja Kollodzieyski

Ich heirate einen Krüppel

21. Januar 2013

Ein interaktives Theaterstück ohne Bühne und Berührungsängste.

„Ich gelobe, mich nicht an deiner Assistentin zu vergehen.“ Dieses ungewöhnliche Eheversprechen, das Dean seiner Doris gibt, die ihn aus dem Rollstuhl heraus anhimmelt, sorgt für einiges Gemurmel unter den Hochzeitsgästen. Es ist nicht nur die Selbstverständlichkeit des Versprechens, die der Betonung einen bitteren Nachgeschmack verleiht. Längst hat sich unter den Hochzeitsgästen das Gerücht herumgesprochen, dass Dean schon lange ein Auge auf die Assistentin geworfen hat. Die beste Freundin der Braut lässt keine Gelegenheit aus, ihre Zweifel an der Aufrichtigkeit des Bräutigams kundzutun. Schließlich passt die zierliche Frau im Rollstuhl nicht so recht in das Beuteschemas des ewigen Schürzenjägers, wäre da nicht Doris beträchtliches Vermögen…

Was sich wie eine neue Vorabendserie im Fernsehen anhört, findet im Hardenbergsaal mitten in Bochum statt. Trotzdem ist an dieser Hochzeit alles so unecht wie Deans scheinbare Liebe zu Doris. Die an den Tischen versammelte Verwandtschaft wusste vor eine Stunde nicht einmal, dass sie irgendwie mit dem Hochzeitspaar verwandt ist. Die Gäste werden als normale Theaterbesucher einzeln in den Hochzeitssaal geführt, wo sie von den Trauzeugen Irene und Friedrich im Empfang genommen und an ihre Plätze geführt werden. Die beiden Trauzeugen haben ein außergewöhnliches Gedächtnis: Nicht nur können sie alle mit Namen begrüßen, sondern sich auch noch an den genauen Verwandtschaftsgrad erinnern. Nach einer Zeit sind die Tische schließlich gefüllt mit Gästen, die sich mit ihrem neuen Namen, ihrer neuen Vergangenheit und nicht zuletzt mit ihren neuen Tischnachbaren zurechtfinden müssen. Und die Verwandtschaft der Braut muss noch damit klarkommen, dass sie durch einen Schaumstoffverband am Arm halbseitig gelähmt worden ist.

Doris und Dean, die zu der sechsköpfigen Darstellergruppe „Dorisdean“ gehören, lassen sich von der allgemeinen Verunsicherung nicht beeindrucken und begrüßen ihre Hochzeitgäste mit der Selbstverständlichkeit eines frischvermählten Brautpaares. Danach kommt all das, was man von einer Hochzeit erwartet: Die Trauzeugen reden, das (echte) Büffet wird eröffnet. Natürlich fehlen auch Hochzeitspiele und das Werfen des Brautstraußes nicht. Während sich die meisten Gäste Spaß an ihren unverhofften Rollen bekommen und sich bereitwillig an dem Treiben der Hochzeit beteiligen, fällt immer mehr auf, dass die Assistentin der Braut in dem Mittelpunkt gerät. Sei es beim Balancieren eines Buches, das unnötiger Weise die Haltung der Braut beweisen soll, oder beim Anschneiden der Torte, immer steht die eigentliche Braut nur lächelnd daneben. Selbst beim Hochzeitstanz, den die Braut auch mit Rollstuhl bestreiten könnte, springt die Assistentin wie selbstverständlich ein und nimmt den Bräutigam gleich für mehrere Tänze im Beschlag. Das Gerücht, was da wirklich zwischen den beiden läuft, wird an diesem Abend nur indirekt aufgelöst. Dass die Assistentin anstelle der Braut die Gäste verabschiedet, spricht für sich.

Das Ende der Hochzeit passt jedoch gut in das Konzept des Stückes, in dem die Problematik des ungleichen Hochzeitpaares zwar immer präsent ist, doch oft nur zwischen den Zeilen angesprochen wird. An der einen oder anderen Stelle könnten die Probleme, mit der eine behinderte Braut zu kämpfen hat, vielleicht etwas stärker herausgearbeitet werden. Jedoch erschaffen Schauspieler mit und ohne Behinderung eine Welt, in der sich normale und behinderte Menschen ohne Berührungsängste begegnen können. Schließlich ist es alles nur Theater. Irgendwie zumindest.

„Hypergamie – Hochzeit mit Hindernissen“ von Doris und Dean. | www.dorisdean.de |

Tanja Kollodzieyski

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