Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 31

12.553 Beiträge zu
3.784 Filmen im Forum

„Medea“
Foto: Axel J. Scherer

Eine Homestory in Korinth

23. Februar 2017

„Medea“ in Oberhausen – Theater Ruhr 03/17

Kindermord bei Biedermanns. So richtig prickelnd geht es nicht mehr ab in Medeas Kellerbar im Theater Oberhausen, ihre Amme (Anna Polke) ist eine sachliche, spießige Verwalterin der einst wüsten Lebensumstände, sie erzählt die Vorgeschichte einer zerplatzten Liebe eher beiläufig, der kleine Mensch steht in der großen Welt, Hoffnung, Liebe, Enttäuschung. Welche Frau ist je für einen Mann weiter gegangen, welche Frau wurde je schlimmer verraten?

Aus Syrien stammt die Regisseurin Wihad Suleiman, die den Mythos des Euripides über die Hexe aus Kolchis in eigenen Textpassagen neu erzählt, die in langatmigen Szenen die Ursachen überspielt und so die mächtige Geschichte einer Genossin der Lilith ins schnöde Gewand der Eva presst. Kein Glück ist ewig – das scheint das Motto, so also hätte Medea ja auch über den Verrat hinwegsehen können und den Mann, der erst durch sie in die Höhen des Königspalastes von Kreon und seiner Tochter gelangen konnte, ungestraft lassen. Für die, die alles geopfert hat, ist das undenkbar. Mag ihre Tat auch noch so ungeheuerlich sein, das blutige Fanal der (aristokratisch erzwungenen) Kindstötung hat die tausende Jahre überdauert.

Fürs Kammerspiel zwischen Demütigung und Rache ist visuell nicht viel geblieben auf der Bühne, keine Pracht, kein Prunk, eine Liege im Hintergrund. Janna Horstmann als blonde Medea und Omar El-Saeidi als dunkelhäutiger Jason spielen das souverän als auseinandergelebtes Ehepaar, immer begleitet von Khater Dawa, der mit seiner arabischen Laute so etwas wie Flair erzeugen muss, und von Dunja Dogmani als die Folklore-Choristin, die sachlich versucht auf Medea einzuwirken. Doch auch in Oberhausen brodelt der archaische Vulkan, wird die blutrünstige Rache vollstreckt, da sei Kreon (Hartmut Stanke) König oder nicht, und möge ein Universum an Schuld die Zukunft bedeuten. Die Totentanz-Choreografie beginnt: Seine Kinder reicht sie dem Argonautenführer als Mahlzeit, dann taucht sie ihre Hände in blutige Schuld. Und dann ist die Homestory auch vorbei. Abreise mit Amme ins Exil. Der Drachenwagen wartet schon.

„Medea“ | R: Wihad Suleiman | Fr 10.3., Sa 11.3., Mi 15.3. 19.30 Uhr, So 12.3. 18 Uhr | Theater Oberhausen | www.theater-oberhausen.de

PETER ORTMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Kung Fu Panda 4

Lesen Sie dazu auch:

Vom Elvis zum Cowgirl
„The Legend of Georgia McBride“ am Theater Oberhausen – Prolog 02/24

„Die Geschichte wurde lange totgeschwiegen“
Ebru Tartıcı Borchers inszeniert „Serenade für Nadja“ am Theater Oberhausen – Premiere 01/24

Multiple Zukünfte, sinnlos zerstört
„Die Brücke von Mostar“ am Theater Oberhausen – Prolog 09/23

Antworten, die verschwiegen werden
„And now Hanau“ in einem Oberhausener Ratssaal – Prolog 09/23

Folgerichtiger Schritt
Urban Arts am Theater Oberhausen – Theater in NRW 08/23

Apokalyptische Symbole
„Der lange Schlaf“ in Oberhausen – Theater Ruhr 07/23

Pennen für den Planeten
„Der lange Schlaf“ in Oberhausen – Prolog 05/23

Disco und Diskurs
Festival am Theater in Oberhausen – Prolog 04/23

Im Tanzschritt mit der verlorenen Zeit
Probenbesuch von „Faster“ am Theater Oberhausen – Bühne 03/23

Wenn einem die Natur kommt
„Woyzeck“ am Theater Oberhausen – Auftritt 01/23

Tonight's the Night
Musikalische Silvester an den Theatern im Ruhrgebiet – Prolog 12/22

„Geld ist genau das Problem in diesem Bereich“
Maike Bouschen über „Zwei Herren von Real Madrid“ am Theater Oberhausen – Premiere 12/22

Theater Ruhr.

Hier erscheint die Aufforderung!