Es gibt immer viel zu sehen, wenn eine Ausstellung von Gerhard Richter (85) eröffnet wird. Das ist bei der Präsentation seiner Editionen im Essener Folkwang-Museum nicht anders. Dort gibt es unheimlich viel zu sehen, über ein halbes Jahrhundert lang hat sich der Künstler mit den Auflagenwerken beschäftigt. Anlässlich dieser schafft er sogar eine neue Edition, ein Schädelfoto (2017, zwischen 6 mm Antelioglas und 5 mm Plexiglas) nach seinem Ölbild von 1983. Doch bevor sich irgendjemand die Mühe macht im Internet nach einer Möglichkeit zu suchen…, vergessen Sie es, diese Auflage (28 + 7e.a.) war nur was für Insider, mit genügend Bonität und einem Zugang zum inneren Kreis des so wichtigen deutschen Künstlers. Ich denke, zehn Riesen für gut einen Viertelquadratmeter Richter sollte man übrig gehabt haben.
Aber nicht ärgern und froh hinein ins multiple Universum des deutschen Überfliegers. Mao von 1968 oder die Blattecke von 1967, das sind so die Arbeiten, die früh hängen geblieben sind, nur im Kopf natürlich. Schon damals hatte Richter seine Graphik im Museum Folkwang hängen, vierzehn Tage im Altbau, seine erste museale Einzelausstellung mit 32 Editionen. Bis heute sind es 173 geworden, nun, der Meister hatte ja auch anderes zu tun. Und darauf greift er bei seinen Auflagen zurück, er verändert, schnippelt und setzt wieder zusammen, sein Interesse gilt dem letzten Bildhaften, dem Ergebnis, nicht so sehr dem Prozess oder gar der Malerei. Oberflächen scheinen oft haptisch, bei meinem Lieblingsraum mit den Wandteppichen Musa, Yusuf, Iblan und Abdu (2009) ist das sogar fühlbar, und auch hier liegt eins der eigenen Werke zugrunde („Abstraktes Bild“, 1990).
Interessant, neben den Arbeiten, die man schon oft in anderen Kontexten gesehen hat (wie Ema, den Akt auf der Treppe, 1992, oder auch die Farbfelder von 1974, deren Fortführung das Richter-Fenster im Kölner Dom ist), ist die Serie „Elbe“, die eine interessante Geschichte hat: Kurz nach seinem Studium in Dresden druckte Richter 1957 eine Serie von 31 Monotypien, die aufgrund des Verfahrens (mit der Farbe auf einer Glasplatte kann nur einmal gedruckt werden) alles Unikate sind. Nach Besuch der documenta 2 und dem folgenden „Rübermachen“ in die BRD blieben die Papierblätter zurück, nach 30 Jahren sah er sie wieder und nannte sie „Elbe“.
Richters Biografie ist eng mit der deutschen Geschichte verwoben. Und so wundert es nicht, dass man den großen Künstler kurz vor der Millenniumsfeier noch mit einer Auftragsarbeit für den Deutschen Bundestag („Schwarz, Rot, Gold“, 21 Meter hoch) köderte, dessen Farb-Vorarbeiten als Edition aus drei monochrom bemalten Flächen in Essen kurz vor dem Ausgang hängen, wie auch das kriegerische Auflagenwerk „Bridge 14 Feb 45“ (2000) nach einer Luftbildfotografie von Köln. Dreimal hängt es da. Als unsignierter Offsetdruck, als signierter (VIII/VIII a.p., 2001) und nochmal als signierter (13/22, 2001). Andere haben auch schon mal Zusatzserien, die noch Buchstaben vor den Nummerierungen haben, aber das ist ein ganz anderes Thema. Richter hatte das nie nötig und seine 173 Editionen sind schon so ein absoluter Wahnsinn.
„Gerhard Richter. Die Editionen.“ | bis 30.7. | Museum Folkwang, Essen | www.museum-folkwang.de
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