Das erste Plakat im 18. Jahrhundert hätte eigentlich „Plakate ankleben verboten“ heißen müssen, denn schnell merkte der Handel, welche Bedeutung Werbung für den Verkauf von Sinnigem und Unsinnigem hatte. Wildes kleben von bedruckten Zetteln an Häuserfronten und Bretterzäunen ist kein Produkt moderner Guerilla-Werbestrategien. Das Museum Folkwang in Essen zeigt jetzt im Rahmen ihres 100-jährigen Bestehens die zeitgeschichtlich umfangreichste Plakat-Schau in seiner Historie. Über 300 Exponate hängen klimatisiert und nach Zeit geordnet in der großartigen Ausstellung. Viele der Plakate hat der eine oder die andere Besucher:in sicher schon mal gesehen, an einige erinnern sie sich zusammen. „Wir haben den Scheiß geglaubt“. Zwei Frauen stehen vor den selbstbeweihräuchernden SED-Plakaten im Bereich der Neuzeit, die sie natürlich alle kennen.
Zurück zum Anfang. Was die Zeiten überlebt hat, von frühen Litfaßsäulen über Großplakat bis hin zu digitalen Rollmonstern, ist die gefährliche Zigarettenwerbung und der Versuch technische Errungenschaften an den Mann oder die Frau zu bringen. Das beginnt schon im Deutschen Reich mit Plakaten für den zuverlässigen Brennabor-Wagen (1912) oder den Manoli-Zigaretten (1911). Auch Persil wirbt schon damals drei Jahre lang mit weißen Erfolgen durch ein selbsttägiges Waschmittel (1912-14). Aber dann war es auch schnell vorbei mit der Unschuld der Plakate, die auch für Theater, Ausstellungen und Sportveranstaltungen geworben hatten und von denen einige wie Henri de Toulouse-Lautrecs Aristide Bruant-Farblithografie oder Alfons Maria Muchas Jugendstil-Theater-Ikonen bis heute als Poster in allen Größen leere Wände schmücken. Nach der Unschuld kam die politische Propaganda für ersten Weltkrieg, den zweiten und immer auch gegen anders Denkende auf der Welt. Ganz Europa rüstete schnell auf den matten Litho-Steinen auf.
Nach dem sinnlosen Töten schritt die Entwicklung des Plakats dann mit technischen Errungenschaften rasant voran. Kultur, Tourismus und der Einzelhandel blieben die Treiber. Digitale Medien erhöhten die Möglichkeit global, produzieren aber weltweit in den Metropolen mächtige Lichtverschmutzung mit ungeahnten Folgen. Das konnte das echte Bütten natürlich nicht.
We want you! | bis 28.8. | Museum Folkwang Essen | 0201 88 45 444
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