Sind NFTs museumstauglich? Rein virtuell existente Bildprodukte – wie kann man die ansprechend in physischen Ausstellungsräumen präsentieren? Einem Kunstpublikum, das Non-Fungible Token evtl. nur vom Hörensagen kennt? Mit Rafaël Rozendaal (geb. 1980) lud das Folkwang einen der renommiertesten Digitalkunst-Akteure ein, der die Herausforderung annahm.
Seit rund 20 Jahren entwirft Rozendaal Netzkunst, zunächst Websites, seit 2019 NFTs. Dabei ist der Sproß einer Künstlerfamilie aus Amsterdam definitiv kein Nerd, sondern Konzeptkünstler durch und durch, Minimalist, Konstruktivist mit Hang zu kräftigen Farben und klaren Formen. Er sitzt nicht am Rechner, sondern flaniert durch New York, wo er lebt, und notiert Bildideen mit Stift auf Papier. Die Programmierung übernimmt sein Webdesigner.
Anlässlich seiner ersten Soloschau in einem europäischen Museum entwickelte Rozendaal für seine seriell konzipierten Animationen museale Präsentationsformen, die ganz nebenher beleuchten, womit man es hier zu tun hat … Nicht alles überzeugt, aber der Auftakt knallt schon mal rein: Vom riesigen Wandscreen im Museumsfoyer springen einem kraftvolle, fortwährend veränderliche Farbsequenzen entgegen. Auch die auf XXL-Plakate gedruckte Haiku-Poesie gewinnt allein schon durch schiere Größe, während sich die als Wandmalereien im Museum verteilten „Cabinet“-NFT eher nur über Begleitinfos via QR-Codes oder menschliche „Decoder“ erschließen. Desgleichen die Funktion des NFT-Generators, der die „Filmbox“ mit endlosen neuen Bild-Ton-Kombinationen flutet.
Interessant wird es, wenn der Künstler den Dialog mit Museumkunst eröffnet. Auf einer quadratischen LED-Wand neben Josef Albers‘ „Homage to the Square“-Werken sendet Rozendaal seine „Homage“ an Albers aus dem Fenster in den Außenraum – in täglich wechselnden Farbkombinationen. Im Zentrum steht jedoch die völlig verdunkelte Ausstellungshalle. 81 Monitore zeigen Standbilder, je zwei waagerecht voneinander getrennte Farbflächen: Rozendaals NFT-Reminiszenz an Landschaftsmalerei, reduziert auf das Wesentliche. Die raumfüllende Ein-, nein, Zweitönigkeit enttäuscht vielleicht zunächst. Aber da muss man durch! Beim Gang durch den Monitorwald entfalten die 81 „Horizons“ unterschiedliche Stimmungen, Erinnerungen und damit sicht- und fühlbar stärkere ästhetische Qualitäten als auf winzigen Displays.
Rafaël Rozendaal: Color, Code, Communication | bis 20.8. | Museum Folkwang, Essen | www.museum-folkwang.de
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