„Unser heutiges, auf fossiler und nuklearer Erzeugung basierendes Energiesystem in Deutschland ist ein Auslaufmodell“, weiß auch das Frauenhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), das am 6. August die aktuelle Fassung seiner Abhandlung „Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland“ veröffentlicht hat. Photovoltaik (PV) bezeichnet die direkte Umwandlung von Lichtenergie in Strom. Solarenergie deckte 2020 hierzulande bereits 9,2 % des Brutto-Stromverbrauchs. Das entspricht einem Fünftel aller Erneuerbaren Energien, aus denen wir heute 45 % unseres Stroms speisen. Klingt gut. Kann und muss besser.
Fördern oder vermeiden?
Deutschland gibt sich gern als Vorreiter des Klimaschutzes und fördert ambitionierte Projekte zu Klimarettung und Erneuerbarer Energie. Auch im PV-Sektor wurde und wird geforscht und subventioniert. So etablierte sich in Deutschland der weltweit größte Absatzmarkt für Photovoltaik. Durch geistige und finanzielle Investition wurde die Technik gar erschwinglich: für das eigene PV-Kraftwerk auf Dach und Balkon, für den PV-Ausbau in den Entwicklungsländern. Die Vergütung für PV-Strom ist innerhalb von zwanzig Jahren um ca. 85% gesunken! Das wiederum ist weniger im Sinne der großen Energiekonzerne: Privatleute, die eigenen Sonnenstrom verbrauchen – und den Überschuss gar noch veräußern? Geht’s noch? Der politische Wille lenkte entsprechend ein und verankerte Auflagen, Einschränkungen und Obergrenzen. Zu viel Veränderung gefährdet schließlich die Stabilität, des Wohlstandsbürgers liebstes Wahlversprechen. Fördern und vermeiden – ein absurder Spagat. Entsprechend schlingert die Kiste.
Trotzdem: Deutschland kommt voran. Das beäugen wir hierzulande zwar skeptisch, jenseits der Grenzen aber hat das durchaus Vorbildcharakter. Auch wenn uns China beim PV-Ausbau überholt hat, gelten wir noch immer als Vorreiter, unser Atomausstieg inspiriert weitere europäische Länder. Trotzdem wettern Konservative und Neoliberale beharrlich: Wenn einer allein vorangehe, könne man im Ganzen nichts bewirken. Wir machen nur, wenn alle mitmachen. Was nicht passieren wird. Also machen wir nichts, und genau das wollen wir ja, siehe Stabilität. Liebe Konservative und Neoliberale: Das ist Käse. Unsere Erde, unsere große Not braucht Impulsgeber. Jetzt. Und euer Wahlversprechen ist auf lange Sicht ohnehin nur durch eines umsetzbar: durch raschen Wandel!
Sparen kostet nichts
Bei der Bevölkerung herrscht übrigens längst hohe Akzeptanz in Sachen Solarenergie: Mit 1,7 Millionen PV-Anlagen, darunter 60 % Kleinanlagen und Balkon-Module, sind die Bürgerinnen und Bürger nun ausgestattet. Weil die Sonne nichts kostet. Weil die Ausstattung kaum degradiert noch großer Pflege bedarf. Und weil Erneuerbare Energien (EE) die Zukunft sind: „Aus heutiger Sicht ist ein Energiesystem auf Basis von annähernd 100 % EE technisch und wirtschaftlich darstellbar“, stellt das ISE fest. Dabei muss natürlich auch beim Ausbau Erneuerbarer Energien der Blick auf endliche Ressourcen gewahrt bleiben. Kreativität und Flexibilität bleiben auch gefragt bezüglich alternativer Energien, Energiegewinnung durch instabile Elemente wie Wind- und Sonnenkraft erfordert kluge Koordination.
Hürde und Chance ist und bleibt der Mensch. Länder, Städte, Gemeinden, Investoren, Manager, Verbraucher: Niemand braucht sein Engagement an der Wahlkabine niederzulegen. Jeder kann entscheiden. Für sich, für alle. Nicht zuletzt, indem er sich über verantwortungsvolle Energiequellen informiert. Zuallererst, indem er Energie spart. Sparen kostet nichts.
GRÜNE ENERGIE 2030 - Aktiv im Thema
energiewende.de | Die Seite des Öko-Institut e. V. ist Informationsportal zu Energiewende, Klimaschutz und Umstieg auf erneuerbare Energien.
transition-initiativen.org | Der Verein unterstützt Initiativen für einen nachhaltigen Städtewandel; portraitiert im französischen Dokumentarfilm „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“ (2016) und in einer Arte-Reportage.
sonneninitiative.org | Der Verein für Umweltschutz und Energiewende fördert den Bau von Bürgersolarkraftwerken.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@trailer-ruhr.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Dunkle Fassaden
Das Theater und die Energiekrise – Theater in NRW 09/22
Auf Pusteblumen in die Zukunft
Intro – Grüne Energie 2030
„Man hat die Solarbranche geopfert“
Energie-Experte Volker Quaschning über Solarenergie – Teil 1: Interview
Immer mehr Tropfen auf dem heißen Stein
Die Stadtwerke im Ruhrgebiet leisten als lokale Treiber einen Beitrag zur Energiewende – Teil 1: Lokale Initiativen
E-Autos auf Kohlestrom
Der stockende Ausbau der Windenergie konterkariert die Energie- und Verkehrswende – Teil 2: Leitartikel
„Windenergie verfünffachen“
Ingenieur Jonas Ott über den Stand der Windenergie in Deutschland – Teil 2: Interview
Im deutschen Stromsee
Der Weg zum nachhaltigen Strommix am Beispiel des Kölner Energieanbieters Yello – Teil 2: Lokale Initiativen
Was Musik, Film und Energietechnik gemeinsam haben
Die Zukunft der Energie ist vielfältig und nicht fehlerfrei. Gut so! – Teil 3: Leitartikel
„Eine Mammutaufgabe für die nächsten 30 Jahre“
Der Energie-Experte Markus Hölzle über Energiewende und Brennstoffzellen – Teil 3: Interview
Energiemix mit wärmendem Müll
Nachhaltige Versorgung in Wuppertal durch das Abfallwerk Korzert – Teil 3: Lokale Initiativen
Frischer Wind für die Wende
Windkraft macht Dänemark zu einem Vorreiter der Energiewende – Europa-Vorbild: Dänemark
Vom Winde versorgt
Nachhaltige Energien im Diskurs – Glosse
Die Messenger-Falle
Teil 1: Leitartikel – Zwischen asynchronem Chat und sozialem Druck
Kult der Lüge
Teil 2: Leitartikel – In den sozialen Netzwerken wird der Wahrheitsbegriff der Aufklärung auf den Kopf gestellt
Champagner vom Lieferdienst
Teil 3: Leitartikel – Vom Unsinn der Debatte über die junge Generation
Fortschritt durch Irrtum
Die Menschheit lässt sich nicht aufhalten. Ihre Wege kann sie aber ändern – Teil 1: Leitartikel
Das Gute ist real …
… mächtige Interessengruppen jedoch auch. Und die bedienen sich der Politik – Teil 2: Leitartikel
Wir sind nicht überfordert
Die Gesellschaft will mehr Klima- und Umweltschutz – Teil 3: Leitartikel
Wo europäische Werte enden
Menschen aus dem globalen Süden dürfen nicht einfach so in die EU – Teil 1: Leitartikel
Gefährliche Kanzel-Culture
Für mehr Streit und weniger Feindbilder – Teil 2: Leitartikel
Auf dem rechten Auge blind
Verfolgungseifer von Behörden, Politik und Presse gegen Linke – Teil 3: Leitartikel
Kein Recht auf Wohnen
Wie ein Grundbedürfnis unbezahlbar wird – Teil 1: Leitartikel
Finanzkrise nonstop
Wieder retten öffentliche Gelder Banken aus der selbstverschuldeten Krise – Teil 2: Leitartikel
Spätrömische Dekadenz
Falsche Versprechen zu Lohn und Leistung – Teil 3: Leitartikel
Kultur ist für alle da
Von gesellschaftlicher Vielfalt auf und vor den Bühnen – Teil 1: Leitartikel