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Wissen Journalisten, wo sie stehen?
Foto: nattapon98/Adobe Stock

An den wahren Problemen vorbei

28. August 2025

Teil 1: Leitartikel – Journalismus vernachlässigt die Sorgen und Nöte von Millionen Menschen

Der Meinungskorridor in der Bundesrepublik wird immer enger. Standpunkte, die den (vermeintlichen) gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, werden im besten Falle ignoriert, im schlimmsten lächerlich gemacht, ausgegrenzt oder unterdrückt: „Schwurbler“, „Querdenker“, „Klimaleugner“, „Putin-Versteher“, „Gesinnungs-“ oder wahlweise „Lumpenpazifist“ sowie „Antisemit“, im Falle von Kritik an der Kriegführung des Staates Israel in Gaza – das sind nur einige der Label, die Menschen verpasst bekommen, die vom Mainstream abweichende Meinungen vertreten, um diffamiert oder mundtot gemacht zu werden.

Enger Meinungskorridor

Für eine Demokratie die sich selbst als „liberal“ beschreibt, ist das paradox. Das liegt (auch) daran, dass die bundesdeutsche Presse oft an den wahren Problemen vorbeischreibt. Dass das so ist, lässt sich leicht auf die soziale Homogenität derer zurückführen, die Nachrichten und Informationen produzieren: die Journalisten. Denn in deutschen Redaktionen gibt es weniger Arbeiterkinder und Mitarbeiterinnen mit Migrationshintergrund als in der Gesamtbevölkerung. Stattdessen sind Kinder von Beamten, Selbstständigen und Angestellten überrepräsentiert. Sprösslinge und Angehörige der oberen Mittelschicht machen rund Zweidrittel aller Journalisten in der BRD aus.

Wo sind die Arbeiter?

Obwohl ein freier Beruf, ist Journalismus dennoch eine recht exklusive Angelegenheit. Um eines der „guten“, die Karriere befördernden Volontariate bei einer großen Zeitung oder einem Rundfunksender zu bekommen, müssen die Bewerber schon jahrelang als schlecht bezahlte Freiberufler „Zeilen geschrubbt“ haben und möglichst viele, in der Regel unbezahlte, Praktika absolviert haben. Dass das Angehörigen einkommensstarker Familien leichter fällt, als Kindern aus Arbeiterfamilien oder prekären Verhältnissen, ist selbsterklärend.

Schizophrenie der Mittelschicht

Doch was macht die sogenannte Mittelschicht aus, in deren Händen weitestgehend die Produktion von Informationen liegt? Aus der Perspektive einer Psychopathologie des Sozialen könnte man ihr eine Art chronifizierte Sozial-Schizophrenie diagnostizieren. Obwohl sie wie Arbeiter und prekär Beschäftigte arbeiten müssen, um ihre Existenz zu sichern, wähnen sie sich aufgrund ihrer Einkommensstärke näher bei jenen, die vom Mehrwert fremder Leute Arbeit leben. Forderungen wirtschaftlicher Lobbyverbände beispielsweise nach Lebensarbeitszeitverlängerung (ergo: Rentenkürzungen) oder Reformen der Sozialversicherungssysteme (ergo: Leistungskürzungen) wird in der Regel kritiklos das Wort geredet, nach dem Motto: „Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing!“ Dabei kann es die Journalisten ja auch schnell selbst erwischen, wenn der eigene Verlag mal wieder die Redaktion ausdünnt.

Interessen von Aktionären

Die BRD ist nun einmal eine Klassengesellschaft – trotz allen Geredes über soziale Marktwirtschaft. Vermutlich wird aber, wer die Härten und Ungerechtigkeiten dieses Systems nie erlebt hat, diese in seiner Berichterstattung eher vernachlässigen oder gar nicht ansprechen. Und wer als Kind einer Beamtin gelernt hat, sich eher mit dem Staat zu identifizieren, kommt als Journalistin vermutlich nicht so schnell auf die Idee, in einem Krieg zwischen zwei kapitalistischen Staaten, beispielsweise Russland und Ukraine, nicht Partei für eine Seite zu ergreifen, statt sich einer fragwürdigen Staatsräson zu unterwerfen, die den Aktionären von Rüstungsschmieden wie Rheinmetall zu Gute kommt. Die Menschen wenden sich völlig zu Recht von„Qualitätsmedien“ ab, die regelmäßig an den Problemen vorbei berichten und wirtschaftliche Opfer nur von abhängig Beschäftigten verlangen.

Bernhard Krebs

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