
Mittlerweile besitzen die zwei reichsten Familien mehr als insgesamt 42 Millionen Menschen in der BRD. Rund 40 Prozent der Bevölkerung haben wenig oder gar keine Ersparnisse, knapp 10 Prozent sind verschuldet. Das ist in höchstem Maße ungerecht und gefährdet den sozialen Frieden.
Dass in einem der reichsten Länder kein Mensch in Armut leben sollte, wird bei den meisten Menschen auf Zustimmung stoßen. Doch dafür bräuchte es grundlegende politische Veränderungen. Eine Trendwende in der Armutsentwicklung kann nur dann gelingen, wenn Reichtum gerechter verteilt würde. Eines der geeigneten Mittel neben höheren Löhnen und Renten wäre eine Vermögenssteuer, die allerdings von FDP, CDU/CSU und AfD strikt abgelehnt wird.
Unwahres über die Vermögenssteuer
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) äußerte beispielsweise im ARD-Sommerinterview, dass eine Vermögenssteuer in Deutschland nicht erhoben werden könne, weil jede Form einer Vermögenssteuer gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoße. Doch das ist so nicht ganz richtig.
Das Grundgesetz sieht in Artikel 106 ausdrücklich eine Vermögenssteuer vor, das Aufkommen der Vermögenssteuer stehe den Bundesländern zu. Damit wäre Geld vorhanden für zum Beispiel bezahlbaren Wohnraum, ÖPNV, eine gemeinwohlorientierte Gesundheitsversorgung, die Sanierung maroder Schulen und zusätzliche Lehrkräfte.
Leerlauf im Bundesrat
Trotzdem wurde die Vermögenssteuer 1997 ausgesetzt und wird seitdem nicht mehr erhoben. Hintergrund war eine Entscheidung aus Karlsruhe von 1995. Das Bundesverfassungsgericht kritisierte, dass die Besitzer von Immobilien zu wenig Steuern zahlten. Den Richtern zufolge müsse das Vermögenssteuergesetz überarbeitet werden. Daraufhin argumentierte die damalige Bundesregierung von CDU/CSU und FDP, eine Reform sei viel zu kompliziert. Ein ausformulierter Gesetzentwurf zur Vermögenssteuer, der die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes aufgriff, bekam im Bundesrat allerdings eine Mehrheit und wurde dem Bundestag zugeleitet. Doch dabei ist es bis heute geblieben.
Dabei wäre eine höhere Besteuerung der reichsten Menschen und Unternehmen geeignet, die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern – eine Forderung, die auf eindeutige Mehrheiten trifft. Neben Sozialverbänden und dem DGB sprachen sich im Dezember 2022 in einer von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Auftrag gegeben Umfrage 73 Prozent der Befragten für die Einführung einer Vermögenssteuer aus.
So viele Möglichkeiten
Eine weiteres Mittel könnte zudem mehr Personal in Steuerbehörden sein, das der horrenden Steuerhinterziehung entgegenwirkt, die anscheinend immer einfacher und lukrativer wird, je mehr Geld im Spiel ist. Wie war das noch mit der vollständigen Aufklärung des Cum-Ex Skandals? Eine reduzierte Mehrwertsteuer auf Dinge des täglichen Bedarfs könnte so manche Haushalte zum Aufatmen bringen. Preisdeckelungen auf Unverzichtbares wie Lebensmittel und Mieten könnten schleichende Preissteigerungen aufhalten und viele Menschen finanziell entlasten. Damit nicht genug: Größere Grundfreibeträge könnten das Steuersystem vereinfachen und kleinere Einkommen entlasten.
Einmal mehr zeigt sich, dass die aktuelle soziale Lage in der Bundesrepublik kein Naturgesetz ist. Sie ist im Sinne der absoluten Mehrheit der Menschen veränderbar. Natürlich haben die allermeisten Superreichen und Großkonzerne kein Interesse daran, die ihnen zugetanen Parteien und Regierungen ebenso wenig. Es bleibt also die Aufgabe der benachteiligten Mehrheit, sich zusammenzutun, Gehör zu verschaffen und für andere politische Mehrheiten zu streiten.
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