
Kleinvieh macht auch Mist. Dieser überragenden Einsicht folgend will sich die Bundesregierung dran machen, bei denen zu kürzen, die eh nichts haben: Arbeitslose. Das ist sinnvoll, denn die Kriegstüchtigkeit ist schließlich nicht umsonst zu haben. Überhaupt, der Posten des Bürgergelds, den man in Gesamthaushalt quasi mit der Lupe suchen muss, an den müssen wir ran. Es wird Zeit, wieder den Stammtisch zu bedienen, so wie damals, in den guten alten Zeiten als Arbeitslose einfach Sozialschmarotzer:innen waren. Nach unten treten, wer kennt es nicht, ist einfach so schön effektiv und dort gibt es auch keine Lobby – zumindest ist Lobby der Oberen viel größer. Gewalt ausüben macht gleich so viel mehr Spaß, wenn die Opfer sich nicht wehren können.
Täglich grüßt die Krise
Ist sowieso alternativlos, denn der deutschen Wirtschaft droht mal wieder Murmeltier-haft der Niedergang. Subventionen für Abwrackautos, unbegrenzte Garantien für Banken, gigantische Pandemiekosten, Sondervermögen für Infrastruktur und Militär – das muss man sich leisten können. Wenn die Politik es beschließt, dann ist Geld da. Selbstverständlich auch um eine der ungerechtesten Vermögensverteilungen in Europa oder die kaum erwähnenswerte Besteuerung von (Groß-)Erbe aufrechtzuerhalten. Wo kämen wir denn hin, wenn auf einmal Vermögende, Unternehmen oder Erben sich an diesen Kosten beteiligten, die schaffen doch Jobs, die stehen doch für das Erfolgsmodell Deutschland. In unserer meritokratischen Demokratie, wo jeder und jede von Beginn an die gleichen Chancen hat, wo Familie, Schule und Vitamin B nicht über das spätere Einkommen und Vermögen entscheiden. Sprich, wer es nicht schafft, der ist halt selbst schuld. Da hat er recht, der Blackrock-Kanzler, der so wahnsinnig viel geschuftet hat in seinem Leben, dass er das Privatflugzeug einfach verdient, ganz meritokratisch. Einfach eine bessere bezahlte Ausbeu…, äh, Arbeit suchen, wenn man zu wenig Netto vom Brutto hat. Einfach mal in die Hände gespuckt.
Leistung beim Pfandsammeln
Wer sagt eigentlich, dass materielle Gleichheit gerecht wäre? Linke Spinner:innen. Überhaupt, Gerechtigkeit. Ein normativer Begriff, da gibt es keine Fakten, die diesen für uns bestimmen könnten. Die harten, eindeutigen Fakten der Volkswirtschaft zum Beispiel, nach denen Austerität gut ist. Oder doch Keynesianismus? Darf es ein bisschen Trickle-Down sein? Hauptsache das Modell ist frei von Normativität, wo kämen wir denn hin, wenn wir moralische Werte über unser Tun entscheiden ließen? Wissenschaft ist ja schließlich ausschließlich faktenbasiert, da gibt es keine Normativität. Weil, was Wissenschaft ist, das hat uns schließlich die Natur selbst vorgegeben, da gibt es kein weitergeleitetes Regelwerk dahinter.
Empathie stört
Eine Zahl zur Untermauerung: 15,5 Prozent armutsgefährdeter Menschen in 2024 in unserem schönen Deutschland. Gut, das sind ein paar Millionen, aber vielleicht strengen die sich einfach nicht an. Auch beim Pfandsammeln muss man gefälligst Leistung zeigen! Außerdem, im Vergleich mit anderen Ländern ist das eine super Quote. Sie sind betroffen? Nun, Pech gehabt. Wir müssen einfach nach unten vergleichen, so wie treten, sonst wäre die kognitive Dissonanz nicht ertragbar. Mir geht es gut, aber neben dem Supermarkt sitzt immer dieser Bettler. Hat halt nichts geleistet in seinem Leben. Oder ist auf Drogen. Schwere Kindheit? Jede ist ihres eigenen Glückes Schmiedin. Empathie würde an dieser Stelle nur stören.
Mythos Meritokratie
Wir könnten es natürlich wagen, über unsere Werte zu sprechen, sie gesellschaftlich auszuhandeln. Aber dabei ist Gefahr im Verzug: Wir könnten zu der normativen Einsicht gelangen, dass nur ein einzig armutsgefährdeter Mensch in einem reichen Land ein Armutszeugnis für ebenjenes ist – und damit für uns alle. Völlig unabhängig davon, wie es in anderen Ländern aussieht. Dass die Meritokratie ein Mythos ist, mit dem man Menschen gefügig machen kann – früher hat es dafür noch eine Kirche und einen Gott gebraucht. Klingt schon gut, dass Leistung belohnt werden soll. Weil es ja völlig klar ist, was Leistung ist und wie man diese bemisst. Hat ja nichts mit Normativität zu tun. Und dass wir alle die gleichen Chancen haben, diese so faktische Leistung zu erbringen.
Spiele statt Brot
Und wenn das Kleinvieh keine Leistung bringt, dann muss es zahlen. Vergleichsweise ungefährlich, hat es doch kaum Lobby und zu viele Spiele, um wegen ausbleibenden Brots irgendwelche Bastillen zu stürmen. Zu beschäftigt, sich untereinander auszugrenzen, als sich um den vom Kopf stinkenden Fisch zu kümmern. Währenddessen jauchzt das Großvieh in seinen Yachthäfen und Privatflugzeugen, hält Hof bei Hochzeiten auf Sylt. Schon komisch: Wenn Kleinvieh Mist macht, was glauben Sie denn, was Großvieh dann macht? Für die Schlussfolgerung braucht es nicht mal die angstbesetzen normativen Werte, da reicht Logik.
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Kli Kla Klacks
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„Eine neue Ungleichheitsachse“
Teil 1: Interview – Soziologe Martin Heidenreich über Ungleichheit in Deutschland
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Gerechtigkeit wäre machbar
Teil 2: Leitartikel – Die Kluft zwischen Arm und Reich ließe sich leicht verringern – wenn die Politik wollte
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Teil 2: Interview – Finanzwende-Referent Lukas Ott über Erbschaftssteuer und Vermögensungleichheit
Gegen die Vermüllung der Stadt
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Die Mär vom Kostenhammer
Teil 3: Leitartikel – Das Rentensystem wackelt, weil sich ganze Gruppen der solidarischen Vorsorge entziehen
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Teil 3: Lokale Initiativen – Der Landesverband des Paritätischen in Wuppertal
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