
„Zusammenhalt und Solidarität sind unsere einzige Chance, ohne geht es nicht“, sagt Christian Woltering, einer der beiden Vorstände des Paritätischen NRW. Der Verband unterstützt über 3.100 gemeinnützige Mitgliedsorganisationen in NRW. Er ist kein „Superträger“, der selbst Einrichtungen besitzt und lenkt, sondern in erster Linie Dienstleister, Berater, Netzwerkpartner – und politische Interessenvertretung. Beim Paritätischen versteht man sich als „Lobbyisten fürs Soziale“, fasst Christian Woltering zusammen.
Die Risse sind längst da. Wer mit offenen Augen durch die Straßen geht, so Woltering, „der sieht es überall“. Die Armut steigt – und nicht nur die Altersarmut. Jugendhilfestellen werden gestrichen, Kinderbetreuung ist vielerorts nicht mehr solide finanzierbar, Pflege wird zur Zumutung. Die unteren Einkommensgruppen rutschen ab, und in die Mitte fressen sich Verlustängste. Gleichzeitig verteidigen Eliten ihre Vermögen wie Festungen. „Das darf in einem so reichen Land nicht sein“, stellt Woltering fest – nicht nur moralisch, sondern faktisch: als Gefahr für den sozialen Frieden.
Soziale Risse überall
Der Paritätische setzt drei Hebel an. Der erste Hebel ist die Praxis, die alltägliche soziale Infrastruktur: Seniorentreffs, Tafeln, Beratungsangebote, Treffpunkte, Jugendprojekte, Orte, an denen Menschen sich begegnen, Unterstützung erfahren, die Solidarität erlebbar machen. „Die Träger der sozialen Einrichtungen und ihre Mitarbeitenden sind der Kitt, der die Risse in der Gesellschaft zusammenhält“, so Christian Woltering. Er setzt auf Bildung, Qualifikation, Weiterentwicklung, betont aber: Bildung entfaltet ihre Wirkung nur dann, wenn Strukturen existieren, die sie belohnen. Wenn Qualifizierung zu Stellen führt, die sicher sind, gerecht bezahlt und würdige Arbeitsbedingungen bieten.
Der zweite Hebel setzt bei der Politik an, etwa am Landtag. 2023 und 2024 hat der Verband in der Düsseldorf Demonstrationen veranstaltet. Mehr als 25.000 bzw. über 32.000 Menschen hatten sich versammelt, um auf die prekären Arbeitsverhältnisse im sozialen Bereich hinzuweisen.
Gegenöffentlichkeit schaffen
Der dritte, der stärkste Hebel ist: die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Denn wenn soziale Ausgrenzung normalisiert wird, wenn Härte, Kürzung und Misstrauen als Pragmatismus verkauft werden, wenn Arbeitslose oder Aufstocker zu Sündenböcken werden, dann muss man etwas entgegensetzen, das nicht spaltet, sondern erklärt, einordnet und erdet. Der Paritätische will eine Gegenöffentlichkeit schaffen. Die klassische Pressearbeit gehört dazu, zunehmend auch social media.
Altersarmut ist ein Brennglas. Sie zeigt, wohin es führt, wenn eine Gesellschaft soziale Sicherheit zunehmend zur Privatsache erklärt. „Grundsicherung im Alter muss ein lebenswürdiger Standard sein. Sonst riskieren wir das Vertrauen in den Sozialstaat.“
Griffig formuliert Christian Woltering: „Solidarität ist kein Nostalgiebegriff. Solidarität ist ein Zukunftsbegriff.“ Dann wendet er sich mit einem Appell an die Leserinnen und Leser: „Engagiert euch!“ Damit gute Geschichten aus und über Solidarität entstehen.
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Kli Kla Klacks
Intro – Genug für alle
Gleiches Recht für alle!
Teil 1: Leitartikel – Aufruhr von oben im Sozialstaat
„Eine neue Ungleichheitsachse“
Teil 1: Interview – Soziologe Martin Heidenreich über Ungleichheit in Deutschland
Klassenkampf im Quartier
Teil 1: Lokale Initiativen – Bochums Stadtteilgewerkschaft Solidarisch in Stahlhausen
Gerechtigkeit wäre machbar
Teil 2: Leitartikel – Die Kluft zwischen Arm und Reich ließe sich leicht verringern – wenn die Politik wollte
„Je größer das Vermögen, desto geringer der Steuersatz“
Teil 2: Interview – Finanzwende-Referent Lukas Ott über Erbschaftssteuer und Vermögensungleichheit
Gegen die Vermüllung der Stadt
Teil 2: Lokale Initiativen – Umweltschutz-Initiative drängt auf Umsetzung der Einweg-Verpackungssteuer
Die Mär vom Kostenhammer
Teil 3: Leitartikel – Das Rentensystem wackelt, weil sich ganze Gruppen der solidarischen Vorsorge entziehen
„Die gesetzliche Rente wird von interessierter Seite schlechtgeredet“
Teil 3: Interview – VdK-Präsidentin Verena Bentele über eine Stärkung des Rentensystems
Der Staat will zuhören
Wandel im niederländischen Sozialsystem – Europa-Vorbild: Niederlande
Armutszeugnis im Reichtum …
… und alternative Fakten im Wirtschaftssystem – Glosse
Widerstand ohne Waffen
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen und ihr Landesverband NRW
Politische Körper
Teil 2: Lokale Initiativen – Das Kölner Friedensbildungswerk setzt auf Ganzheitlichkeit
Platz für mehrere Wirklichkeiten
Teil 3: Lokale Initiativen – Kamera und Konflikt: Friedensarbeit im Medienprojekt Wuppertal
Zwischen Bar und Bühne
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Neuland als kulturelles Experiment im Bochumer Westend
Kultur am Kipppunkt
Teil 2: Lokale Initiativen – Bruno Wenn vom Kölner Kulturrat über die Lage der städtischen Kulturhäuser
Querschnitt der Gesellschaft
Teil 3: Lokale Initiativen – Das Kulturbüro Wuppertal als Partner der freien Szene
Von lokal bis viral
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Landesanstalt für Medien NRW fördert Medienvielfalt
Aus den Regionen
Teil 2: Lokale Initiativen – Das WDR-Landesstudio Köln
Pakt mit dem Fakt
Teil 3: Lokale Initiativen – Das Zentrum für Erzählforschung an der Uni Wuppertal
Antifaschismus für alle
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Bochumer Antifa-Treff
Zwischen Krawall und Karneval
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Bereich Gegenwart im Kölner NS-Dok klärt über Rechtsextremismus auf
Nicht mit uns!
Teil 3: Lokale Initiativen – Das zivilgesellschaftliche Netzwerk Wuppertal stellt sich quer