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Dreharbeiten des Medienprojekts zur Filmreihe „Generationenkonflikte“
Foto: Medienprojekt Wuppertal

Platz für mehrere Wirklichkeiten

30. Oktober 2025

Teil 3: Lokale Initiativen – Kamera und Konflikt: Friedensarbeit im Medienprojekt Wuppertal

Ein Lichtkegel fällt durchs Fenster des Schnittzimmers. Andreas von Hören sieht mit einer jungen Regisseurin einen Clip, in dem ein Jugendlicher von Bombenangriffen auf seine Heimatstadt erzählt. Von Hören sagt: „Das ist unsere Aufgabe – diese Geschichten sichtbar machen.“ Trotz des ernsten Themas: Film ist hier Leidenschaft, nicht Arbeit. 

Beim Medienprojekt Wuppertal lernen Jugendliche, wie aus persönlichem Erleben, kreativem Geist und individueller Meinung einerseits und technischem Knowhow andererseits Filme entstehen. Das eine bringen sie selbst mit, bei dem anderen stehen Filmschaffende und Pädagogen zur Seite. Seit 1992 ermutigt die Einrichtung junge Menschen: „Erzähl du deine Geschichte!“ Jedes Jahr entstehen hier so über hundert Filme durch etwa tausend aktive Teilnehmende, deren Werke bundesweit in Schulen als Bildungsmedien eingesetzt werden. Denn Jugendliche hören ihren Altersgenossen eher zu – und schätzen Authentizität ganz besonders.

Alternativen zur Gewalt sichtbar machen

Das Medienprojekt Wuppertal versteht Film als Ausdruck des subjektiven Blicks. Andreas von Hören, Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins, betont: „Filme sind subjektiv, dadurch emotionaler“ als andere Medien. Gerade so werden Perspektiven sichtbar, die sonst oft stumm bleiben. Dabei kann es auch zu Kontroversen zu politischen Positionen kommen, zu kritischen Rückmeldungen. Doch: „Wuppertal ist eine multikulturelle Stadt – darum müssen auch mehrere Wirklichkeiten Platz haben“, sagt Andreas von Hören.

Im aktuellen Projekt „Krieg & Frieden“ reflektieren junge Menschen gemeinsam mit Pädagogen in Kleingruppen ihre Bezüge zu Gewalt, Konflikt und Frieden. Sie erzählen, in welcher Weise Kriegsbilder sie erreichen – ob über Social Media, Nachrichtensendungen oder Familiengeschichten – und wie man Alternativen zur Gewalt sichtbar machen kann. Dafür wird nicht nur gedreht, sondern diskutiert, recherchiert und reflektiert – über Militarismus, Fake News, Gewaltästhetik, Ursachen von Unfrieden, legitime und illegitime Formen des Widerstands.

Ein kleines Festival

Der Prozess folgt dem Prinzip: learning by doing. Die Jugendlichen wählen Themen selbst, entwickeln Drehbuchideen, setzen sie um und bearbeiten den Film mit technischer Anleitung. Medienpädagogen begleiten sie dabei, bringen Reflexionsübungen ein, hinterfragen Entscheidungen und lassen Raum für Diskussion.

Die allermeisten Filme werden öffentlich gezeigt: erst im Kino, dann auf Youtube und auf DVD. Die Kinovorführungen sind ganz besondere Ereignisse. „Jede Aufführung ist wie ein kleines Filmfestival“, sagt von Hören. Reaktionen des Publikums – Lachen, Nachfragen, Stille – sind Teil des Projekts. Die Filme sollen anschlussfähig sein: als Auslöser für Gespräche, Begegnung, Reflexion.

Im Schnittraum sagt von Hören: „Wir sehen Jugendliche nicht defizitär, sondern mit ihren Potenzialen.“ Der Bildschirm zeigt eine junge Frau mit Kopftuch, die zu ihrer Kamera spricht – und durch sie sprechen viele mit.

Veranstaltungshinweis: Die Premiere von „Krieg & Frieden. Eine Filmreihe mit Dokus, Interviewfilmen und Kurzspielfilmen“ findet statt am 18. November, 18 Uhr, im Cinema Wuppertal (Berliner Str. 88). Mit Publikumsdiskussion. Reservierung unter www.medienprojekt-wuppertal.de

Marek Firlej

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