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Nicht jedes Leuchten bringt Licht ins Dunkel
Foto: Hryhor Denys/Adobe Stock

Worüber sich (nicht) streiten lässt

19. Dezember 2025

Teil 2: Leitartikel – Wissenschaft in Zeiten alternativer Fakten

„Sex sells“ war mal ein Slogan der Werbeindustrie. Unabhängig davon, ob es mit dem Produkt irgendetwas zu tun hat, etwa, wenn sich den gesellschaftlichen Schönheitsstandards entsprechende Körper lasziv die Zähne putzen. Es gibt jedoch noch einen augenscheinlich weniger vulgären Werbezugang: „Science sells“. Bei Stimmungsschwankungen wird auf „Dopaminfasten“ oder „Serotoninboosten“ verwiesen, das ergäben neuste neurowissenschaftliche Studien. Garniert wird das mit bunten Bildchen vom Gehirn, in dem es irgendwo leuchtet. Hier werden nicht einfach Pillen oder was auch immer verkauft – sondern ein verqueres Bild von dem, was Wissenschaft ist und kann. Dass das keine Elfenbeinturmdebatte sein darf, sollte allen in der Pandemie klar geworden sein. Das mangelnde Verständnis hierfür hatte damals weitreichende gesellschaftliche Auswirkungen.

Erdkugel vs Bankenrettung

Gäbe es eine wissenschaftstheoretische Grundbildung, man wüsste zumindest, dass es bei Abermillionen Impfungen, leider, selbstverständlich ein paar wenige gibt, die zu Nebenwirkungen führen können. Man hätte Angela Merkel oder Jahrzehnte zuvor Margaret Thatcher einfach ausgelacht für ihren Glauben, es gäbe keine Alternativen in der Wirtschaftspolitik. Diese Bildungslücke haben brillant die rechtsextremen und rechtspopulistischen Bewegungen aufgegriffen, in Parteinamen, in Schlagwörtern von „alternativen Fakten“, mit der Suggestion, eine „böse Elite“ habe alle anderen vor vollendete Tatsachen gestellt. Es gibt tatsächlich nur sehr wenige Tatsachen, die alternativlos sind – und wenn, dann nur im Vergleich: So ist es alternativlos, dass die Erde kugelförmig ist, keine Scheibe. Anders bei Bankenrettungen, Sondervermögen, Impfungen oder Verhaltenstherapie vs. Tiefenpsychologie. Ob dies jeweils sinnvoll ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Alternativlos ist es nie. Je nach Theorie, Modell, Ziel oder Haltung kommt man zu anderen Antworten.

Sicherheit und Freiheit 

Hier mag ein Widerspruch im Menschen selbst liegen: Da ist einerseits der Wunsch nach Sicherheit durch angebliche Alternativlosigkeit. „Dopaminfasten“, da weiß man ganz sicher, das hilft; Wissenschaft als Sicherheitsgarant. Da ist andererseits das Bedürfnis nach persönlicher Freiheit: Da mag man es so gar nicht, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.

Der Wert der Person

Frei von jedem Widerspruch kann man sich allerdings für bestimmte Werte entscheiden, sie bewusst als alternativlos begreifen: zum Beispiel, Menschen ohne Arbeit ein würdiges Leben zu ermöglichen oder Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, einen sicheren Hafen zu bieten. Das sind Werte, die sogar in Menschenrechtskonventionen oder Verfassungen eingeflossen sind, die tatsächlich von einer Elite bestimmt worden sind. In diesem letzteren Punkt liegen die Rechten faktisch nicht falsch. Es sind Werte, die man lange für unantastbar hielt, die aber offenbar für einige nicht unantastbar sind. Sie können aber offensiv vertreten werden, wenn man nicht nur Demokratie, sondern auch Normativität wagt. Dann ist es irrelevant, was Geflüchtete kosten oder bringen. Solche Nutzenerwägungen mögen sich wissenschaftlich einholen lassen, der Wert der Person jedoch nicht. Der Versuch ihn zu berechnen könnte sogar die Würde antasten. Denn dann hätten Menschen nur noch einen Wert in ihrer Funktion, nicht an sich.

Bildung!

Die hochtechnologische Welt ist eine hochverwissenschaftlichte Welt. Wenn jedoch mit Schlagwörtern wie „Dopaminfasten“ Absatz gemacht werden kann, dann mangelt es offenbar an der entsprechenden Grundbildung sowie sozialen und emotionalen Reife. Diese Bildung und Reife zu vermitteln, sollten wir als alternativlos begreifen.

Paul Tschierske

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