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Klare Worte in Berlin-Neukölln
Foto: ebenart/Adobe Stock

Mieter aller Länder, vereinigt euch!

19. Dezember 2025

Teil 1: Leitartikel – Der Kampf für bezahlbares Wohnen eint unterschiedlichste Milieus

Seit mehr als 40 Jahren spielt im Neoliberalismus die Kapitalseite mit den Lohnabhängigen ein mieses Spiel: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. Damit das möglichst reibungslos klappt, bedient man sich eines unsozialen Populismus, der Menschen, die gleiche oder ähnliche Interessen miteinander teilen, gegeneinander ausspielt, indem Neid geweckt wird. Da wird dann der Kassiererin oder dem Pfleger, die sich morgens zur Arbeit schleppen, um nach einer harten Schicht schlecht bezahlt nach Hause zu kommen, eingeredet, es sei höchst ungerecht, dass sie für einen niedrigen Lohn schuften, während Arbeitslose es sich mit einem leistungslosen Einkommen in der sozialen Hängematte bequem machten.

Herz und Hirn

Ergibt das Sinn? Natürlich nicht. Manipulieren aber Medien wie die Bildzeitung immer wieder Einzelfälle wie den vom berüchtigten Arno Dübel („Deutschlands frechster Arbeitsloser“, „so gammelt er sich durch den Tag“, 2010) zur Regel, dann geht das an den Herzen und Gehirnen der Menschen nicht spurlos vorbei. Dann gilt nicht mehr der miese Löhne zahlende Konzern als verantwortlich für die persönliche Misere, sondern Leistungsempfänger und Langzeitarbeitslose, die auf die Solidargemeinschaft angewiesen sind.

Habenichtse gegen Habenichtse

Zudem blenden solche Empörungskampagnen bewusst aus, dass die Lohnempfängerin von heute schon morgen selbst Leistungsempfängerin sein könnte, wenn mal wieder Stellen im Betrieb vernichtet werden. Das Ergebnis solcher nach unten tretenden Kampagnen, in denen die „Habenichtse mit Arbeit“ den „Habenichtsen ohne Arbeit“ nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen, ist desaströs: Entsolidarisierung und Vereinzelung – und damit ein Machtverlust der Lohnabhängigen, infolgedessen die Kapitalseite umso leichter ihren obszönen Reichtum auf Kosten der Gesellschaft mehren kann.

An der Staatskasse vorbei

Wer es aber wagt, die leistungslosen Einkommen der Superreichen anzusprechen, wird von Bild & Co. schnell des Neids gegen „Leistungsträger“ verdächtigt. Leistungsträger wohlgemerkt, die in den letzten zehn Jahren bei mehr als der Hälfte der Erbschaften oder Schenkungen über mindestens 100 Millionen Euro keinen Anteil an die Staatskasse abdrückten; von 463 solcher Fälle seien in mindestens 258 keine Steuern gezahlt worden, berichtete dpa im September.

Aufklärung und Gefühle 

Es bleibt die Frage, hinter welchem Anliegen die benachteiligte Mehrheit wieder vereint werden kann, um für ihre ureigenen Interessen einzutreten. Das ist zweifelsohne die Mietpolitik. Bundesweit lebt mehr als jeder Zweite zur Miete, die BRD ist Mieterland Nummer eins in der EU. In Berlin liegt der Mietanteil in manchen Bezirken sogar bei 90 Prozent. Und die Mietkrise spitzt sich zu: Die Angebotsmieten sind im Vergleich der Jahre 2023 und 2024 um 12 Prozent gestiegen, während Löhne und Gehälter bestenfalls stagnieren. Der Volksentscheid von 2021, bei dem die Berlinerinnen und Berliner mit 56 Prozent für die Enteignung von Immobilienkonzernen gestimmt haben, zeigt, dass die Wohnfrage schicht- und klassenübergreifend mobilisiert. Denn die, die da zugestimmt haben, waren nicht ‚nur‘ einfache Lohnabhängige, prekär Beschäftigte oder Leistungsempfänger. Nein, mit Angestellten, Facharbeitern, Beamten, Gewerbetreibenden und Kleinunternehmern waren Milieus mit im Umverteilungsboot, die sonst kaum als erste Adressaten linker Politik gelten. Vorausgegangen war dem eine emotionalisierende und aufklärende Kampagne der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Derweil versucht der schwarz-rote Berliner Senat alles, um das demokratische Mehrheitsvotum mit angeblichen Expertenkommissionen zu beerdigen.

Bernhard Krebs

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