Es war einmal eine kleine Spielkonsole. Sie lag in einer dunklen Schublade und war ihres Lebens nicht mehr froh. Längst hatten neue Apparaturen die Herzen der Kinder gefangen und zeigten ihnen bunte Bilder in mehreren Dimensionen, schnell getaktete Videos und herrlich anzusehende Animationen. Das konnte die kleine Spielkonsole nicht und war achtlos weggelegt worden. Nun dachte sie schon an den grenzenlosen Datenhimmel, denn niemand hatte ihre Batterien entfernt, die nun langsam durchrosteten und drohten, die ätzende Säure freizugeben.
Eigentlich sollte die kleine Spielkonsole eine schöne Puppe werden, doch sie war in der Fabrik vom Transportband gefallen und in dem großen schwarzen Loch für die Gehäuse verschwunden. Ihr schöner Kopf, ihr anmutiger Körper waren in eine rechteckige Form gepresst worden, wurden mit allerlei Platinen bestückt, und in Pappkartons verpackt. Der Traum vom großartigen Puppentheater war vorbei, doch die kleine Spielkonsole wollte so nicht enden. Sie wartete auf den Heiligen Abend, genauso wie ihre Besitzerin, die kleine Klara aus Oer-Erkenschwick, die Tänzerin werden wollte oder Schauspielerin oder Sängerin, so genau wusste sie das noch nicht, aber ihre Eltern wollten auf jeden Fall in der Adventszeit mit ihr ins Theater.
Klara freute sich, doch die Eltern waren unschlüssig, wohin, und schauten deshalb im großartigen trailer nach. Da stand: Am spannendsten ist sicher am Oberhausener Theater die Geschichte um das Findelkind Mogli, das im indischen Dschungel unter Tieren aufwächst. Die Story stammt nicht von Walt Disney, sondern vom britischen Autor Rudyard Kipling, geschrieben am Ende des 19. Jahrhunderts. Regisseurin Corinna Sommerhäuser verlegt „Das Dschungelbuch“ auf die Dächer einer Großstadt und in unsere Welt, wo Klimawandel und Abholzung den Tieren ihren Lebensraum genommen haben. Die schlagen zurück und machen nun ihrerseits aus der Welt der Menschen einen Comic und leben wild und frei über den Dächern, singen die bekannten Songs und erfreuen sich an den Tanzeinlagen der E-Motion Crew.
Nicht so bekannt, aber auch spannend ist „Die schöne Wassilissa“ in Dortmund. Das russische Märchen von Alexander N. Afanassjew um die junge Liebe zwischen Wassilissa und Ilja, die Abenteuer mit der Hexe Baba Jaga und dem Räuber Nachtigall wird von Andreas Gruhn am Schauspielhaus inszeniert. Da bleibt die Entscheidung nicht leicht.
Die kleine Spielkonsole träumt derweil in ihrer Schublade vom Puppenkasper und vom Gott der Biomechaniker, der Monster in Cyborgs und Puppen in Menschen verwandeln könnte. Im Theater an der Ruhr geht es kurz vor der Weihnachtszeit auch um ungewöhnliche Monster. Im Rahmen der Aufführungsreihe Szene Istanbul ist hier die Kunst von Cengiz Özek, des Großmeisters der türkischen Karagöz-Szene, zu sehen. Der Begriff bedeutet „Schwarzauge“ und ist die Bezeichnung für ein eigenes Genre des Schattentheaters geworden, bei dem eine flache, zweidimensionale Figur (Mensch, Tier oder Fabelwesen) hinter einer weißen Leinwand bei starkem Gegenlicht hin und her bewegt wird. Zu sehen gibt es in Mülheim „Çöp Canavarı – das Müllmonster”, ein modernes Karagöz-Stück, das eine Geschichte aus den Tiefen des Meeres erzählt, in dem sich ein munteres Monster von den zweifelhaften Hinterlassenschaften der menschlichen Zivilisation ernährt.
„Das Dschungelbuch“ I Theater Oberhausen I 0208 857 81 84
„Die schöne Wassilissa“ I Theater Dortmund I 0231 502 72 22
„Das Müllmonster“ I Theater an der Ruhr Mülheim I 0208 599 01 88
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