Den Bekanntheitsgrad eines Musikers erkennt man an der Verspätung, mit der er seinen Auftritt beginnt. Bis die deutsch-italienisch-japanisch-amerikanische Singer-Songwriterin Rachael Yamagata auf der Bühne stand, waren seit Konzertbeginn gut eineinhalb Stunden vergangen. Die lange Wartezeit sei ihr dennoch verziehen, denn mit ihrem Supportact Ed Romanoff hatte sie sich den idealen Begleiter ausgesucht. Dass es sich bei diesem nicht um einen Roadie oder Tontechniker handelte, kristallisierte sich erst heraus, als er sich vorstellte: „My name’s Ed. What’s yours?“
Ed Romanoff, ebenfalls Singer-Songwriter, lebt mit seinem Hund in New York. Über eben jenen sowie über Reisen, die Liebe und ihre Tücken konnte er ausführliche, zugleich jedoch höchst unterhaltsame Geschichten erzählen, die er teilweise in seine Lieder einarbeitete. Ein beachtlicher Teil des Vorprogramms gestaltete sich jedoch wie eine Geschichtsstunde. Schnell wurde klar: Ed Romanoff redet gern und viel. Das macht aber nichts, denn er sammelte fleißig Pluspunkte und wurde Liebling des Abends. Humor und Sympathie bereicherte er gekonnt durch eingängige, angenehme Stücke mit einfachen Gitarrenmelodien und warmem Gesang. Ed achtete stets darauf, die Interaktion mit dem Publikum nicht abreißen zu lassen; er machte den Raum zu seinem Wohnzimmer, die Zuschauer zu seiner Familie, unterhielt sich mit ihnen und spielte sogar eine Runde Liederraten. Seinem letzten Stück fügte er selbst kreierte elektronische Effekte hinzu. Diese klangen zeitweise reichlich chaotisch, doch das störte niemanden, denn einem Sympathieträger wie Ed verzeiht man viel.
Rachael Yamagata, Tochter einer deutsch-italienischen Künstlerin und eines japanischen Anwalts, ließ weitere dreißig Minuten auf sich warten. Doch wer aus umliegenden Ländern eigens für das kleine Akustikkonzert nach Duisburg angereist war, verkraftete auch diese Wartezeit. In ihrer Heimat, den USA, ist Rachael Yamagata recht bekannt: Ihre Lieder wurden unter anderem in den Serien Grey’s Anatomy, How I Met Your Mother und O.C. California gespielt. Yamagatas Stil zeichnet sich durch viele Harmonien und ihre sanfte Altstimme aus. Dabei gehen die Themen, die sie in ihren Songs behandelt, in eine klare Richtung: Wenn Supportact Ed sich als Geschichtenerzähler sieht, darf Rachael Yamagata sich eine Herzensbrecherin nennen. So kündigte Ed sie bereits an: „Ich erzähle euch ein paar Geschichten, und dann bricht Rachael euch das Herz.“
Rachael Yamagata singt hauptsächlich von Liebe und am liebsten über die Liebe, die aus verschiedensten Gründen zerbricht. Das macht sie zur idealen Trostspenderin für Liebeskummergeplagte. Mit ihrem neuen Album, an dem sie momentan arbeitet, will sie nach eigener Aussage aber ihren Horizont erweitern und sich an fröhlichere Themen wagen.
Yamagata begleitete sich selbst an Klavier und Gitarre, spielte ein sehr reduziertes Konzert, in dem ihre Stimme voll zum Ausdruck kam und ihre Texte direkt das Publikum erreichten. Musikalisch bewegt sie sich im sicheren Folkbereich mit Jazzelementen, überwiegend stimmigen Akkordfolgen und einzelnen Ausreißern durch Gesangs- und Klaviersoli. Es handelte sich bei ihrem Auftritt also nicht um den musikalisch anspruchsvollsten, denn Yamagata weiß, was sie kann, und hielt sich an diesem Abend sicher im Rahmen ihrer Fähigkeiten auf. Dies resultierte in einer soliden Show mit ruhigen Stücken, die sich auch trotz der häufig bedrückenden Texte gut für romantische Abende eignen. Besonders viel Abwechslung und Überraschungen boten zwar weder Ed Romanoff noch Rachael Yamagata; wer jedoch einen ruhigen Tagesabschluss suchte, konnte seinen Abend im Steinbruch angenehm ausklingen lassen.
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