Theater ist wie Raumfahrt: Immer werden große Entdeckungen vorausgesagt, dann scheitert das Projekt hin und wieder an Kleinigkeiten. 2015 erreicht die Sonde New Horizons den Pluto, am Schauspielhaus Bochum erreicht man immerhin die Mechanismen der Zeit.
Martina von Boxen inszeniert dort Peter Høegs „Plan von der Abschaffung des Dunkels“. Schwer erziehbare Jugendliche landen im Roman auf Biehls Privatschule. Gemeinsam gründen sie ein Zeit-Laboratorium, um den mit aller Härte durchgezogenen Leistungsgedanken und das strenge Zeitmanagement der Schule zu verstehen. Doch nichts geschieht ohne Grund und die Gründe sind nicht immer erstrebenswert. Die Schüler müpfen auf, beschließen, mit den Erkenntnissen ihrer Nachforschungen über die Zeit das strenge Reglement der Schule zu stören. Das System eskaliert, als sie versuchen, die „Zeit zu berühren“ und ihrem unbegreiflichen Mechanismus auf die Spur zu kommen. Høeg hat bekanntlich auch „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ verfasst: Wieder legen sich Outsider mit einer grausamen Machthierarchie an.
Ähnliche Machtstrukturen werden auf einer einsamen Insel am Dortmunder Theater torpediert. In „Häuptling Abendwind“ von Johann Nestroy suchen im Januar die Menschenfresser nach einem geeigneten Opfer für ein Festmahl. Gut gewürzt soll der gestrandete Friseur Arthur werden, doch der verliebt sich ausgerechnet in die Häuptlingstochter. Die „musikalische“ Story basiert auf dem Libretto einer Operette von Philippe Gille und Léon Battu, zu der Jacques Offenbach die Musik schrieb. In seiner 1862 uraufgeführten Burleske karikierte Nestroy lachend eben jene „Menschenfresser“, die ihm vom Parkett aus anerkennend applaudierten: Kaiser und Klerus.
Dazu passen natürlich wie die Faust aufs Auge die Bochumer Punker „Die Kassierer“, die seit 1985 den Planeten verunsichern. Mehrfach galten sie als „ethisch desorientiert“, und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften wollte mehrfach ihre Songtexte auf den Index stellen. Das wird also immerhin ein planetares Schmorgericht mit Ohrstöpsel. Keine Bange, das schlimmste ist, wenn das Bier alle ist.
Ansonsten sieht es mit dem Universum im Theater schlecht aus. „Darkness falls across the land“, und ohne Licht schwinden bald die theatralischen Kräfte. Wie gerade bei „Philae“, der ferngesteuerten Waschmaschine, die von der Raumsonde „Rosetta“ auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko abgesetzt wurde.
Vielleicht sollte man mit seinen Kindern lieber mal wieder ein Planetarium besuchen. Dort startet in Bochum der superschnelle Raumkreuzer vom Weltraumbahnhof mit Luna und Felix zum großen Abenteuer. Viele Jahre wird die Reise dauern und an allen Planeten des Sonnensystems vorbeiführen. Zunächst geht es vorbei an der spektakulären Internationalen Raumstation zu den sonnennahen heißen Planeten Merkur und Venus. Die Sternbilder sehen immer noch so aus wie wir sie von der Erde kennen. Und vielleicht gibt es für Planetenforscher ab circa 6 Jahren auch die Sonde New Horizons am Pluto zu sehen.
„Der Plan von der Abschaffung des Dunkels“ | Mi 14.1.(P) | Schauspielhaus Bochum | 0234 33 33 55 55
„Häuptling Abendwind“ | Sa 24.1.(P) | Theater Dortmund |0231 502 72 22
„Abenteuer Planeten“ | mehrfach pro Woche | Planetarium Bochum | www.planetarium-bochum.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Tauchgang in die Kunstwelt
Das Dive-Festival in Bochum – Kunst 11/23
Der Pott anne Decke
Filmvorführung „Future Ruhr“ im Planetarium Bochum – Kunst 06/22
Wiedereröffnung
BO: Planetarium | seit 17.6.
„Details, die wir noch nie gesehen haben“
Susanne Hüttemeister über die Wiedereröffnung des Bochumer Planetariums – Spezial 12/20
Völlig losgelöst
Klaus Fiehe bei „DJ & Space“ in Bochum – Musik 01/20
„Immersion gemeinschaftlich erleben“
DIVE: Tobias Staab und Tobias Wiethoff über Realitäten in künstlerischer Hand – Premiere 11/19
„Die längste totale Mondfinsternis des 21. Jahrhunderts“
Interview mit Susanne Hüttemeister und Meike Weisner vom Planetarium Bochum über das Luna Festival am 27.7. – Spezial 07/18
Aus der Welt der Gefühle
Das Kölner Vokalquartett Of Cabbages And Kings – Improvisierte Musik in NRW 06/17
Der Held im Schwarm
„Swimmy“ am Theater Oberhausen – Prolog 10/24
Torero und Testosteron
„Carmen“ am Aalto-Theater in Essen – Tanz an der Ruhr 10/24
„Hamlet ist eigentlich ein Hoffnungsschimmer“
Regisseurin Selen Kara über „Hamlet/Ophelia“ am Essener Grillo Theater – Premiere 10/24
„Was dieser Mozart gemacht hat, will ich auch machen“
Komponist Manfred Trojahn wird 75 Jahre alt – Interview 10/24
Das gab es noch nie
Urbanatix im Dezember wieder in Essen – Bühne 10/24
Das schöne Wesen aller Dinge
Festival Spielarten 2024 in NRW – Prolog 09/24
Die Zwänge der Familie
„Antigone“ in Duisburg – Prolog 09/24
Bockig und vergnügt
„Das Neinhorn“ in Bochum
Jenseits von Stereotypen
„We Love 2 Raqs“ in Dortmund – Tanz an der Ruhr 09/24
„Das Publikum braucht keine Wanderschuhe“
Intendant Ulrich Greb inszeniert „Ein Sommernachtstraum“ am Schlosstheater Moers – Premiere 09/24
Wüste des Vergessens
„Utopia“ am Theater Oberhausen – Prolog 09/24
Künstlerisches (Ver-)Lernen
Das Favoriten Festival 2024 in Dortmund – Prolog 08/24
Das Trotzen eines Unglücks
Die neue Spielzeit der Stadttheater im Ruhrgebiet – Prolog 08/24
Gegenwart einer Gegenkultur
„Pump Into The Future Ball“ in der Jahrhunderthalle Bochum – Tanz an der Ruhr 08/24
„Eine andere Art, Theater zu denken“
Dramaturg Sven Schlötcke über „Geheimnis 1“ am Mülheimer Theater an der Ruhr – Premiere 08/24
Zahlreiche Identitäten
6. Hundertpro Festival in Mülheim a.d. Ruhr – Prolog 07/24
Keine Spur von Rechtsruck
Die Ruhrtriennale 2024 in Bochum, Duisburg und Essen – Prolog 07/24